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Aelita

Aelita

Titel: Aelita Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexej Tolstoi
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stark inmitten der Schwachen und von der Chawra Betäubten. Wenn aber die Starken kommen, die mit dem heißen Blut, wirst du selbst zu einem Schatten werden, zu einem nächtlichen Alpdruck, du wirst verschwinden gleich einem Gespenst. Das ist es, was du mehr als alles auf der Welt fürchtest! Du hast die Anarchie mit Absicht erfunden, und diese die Geister erschütternde Zerstörung der Stadt hast du dir eben erst ausgedacht. Du selber brauchst Blut, um dich satt zu trinken. Deine Absicht ist: die Aufmerksamkeit aller abzulenken, damit du die beiden kühnen Wagehälse, unsere Retter, unauffällig beiseite bringen kannst. Ich weiß, daß du den Befehl bereits gegeben hast….«
    Gor brach plötzlich ab. Sein Gesicht begann dunkel zu werden vor Anstrengung. Tuskub sah ihm mit schwerem Blick, unter gesenkter Stirn hervor, in die Augen.
    »… Du wirst mich nicht zwingen… Ich werde nicht schweigen!…« Gor röchelte. »Ich weiß, du bist eingeweiht in das uralte Teufelswissen…. Ich fürchte deine Augen nicht…«
    Gor wischte unter Anstrengung mit der breiten Hand den Schweiß von der Stirn. Er seufzte tief auf und wankte. Beim Schweigen des den Atem anhaltenden Amphitheaters sank Gor auf die Bank nieder und legte den Kopf in die Hände. Es war zu hören, wie seine Zähne knirschten.
    Tuskub hob die Stirn und fuhr ruhig fort: »Auf Übersiedler von der Erde hoffen? Dazu ist es zu spät. Frisches Blut in unsere Adern gießen? Zu spät. Zu spät und grausam. Wir verlängern dadurch nur die Agonie unseres Planeten. Wir vergrößern nur unsere Leiden, weil wir unausbleiblich nur die Sklaven der Eroberer sein würden. Wozu? Warum sollen wir, eine uralte und weise Rasse, für die Eroberer arbeiten? Damit die lebensdurstigen Wilden uns aus unseren Palästen und Gärten verjagen, damit sie uns zwingen, neue Wasserbehälter zu bauen, nach Erz zu graben, damit die Ebenen des Mars widerhallen von Kriegsgeschrei? Damit unsere Städte sich aufs neue mit Wüstlingen und Wahnsinnigen füllen? Nein. Wir müssen in Ruhe auf den Schwellen unserer Wohnstätten sterben. Mögen die roten Strahlen des Talzetl uns von ferne leuchten. Wir lassen die Fremdlinge nicht zu uns. Wir werden neue Kraftwerke an den Polen erbauen und den Planeten mit einem undurchdringlichen Panzer umgeben. Wir werden Soazera zerstören, dieses Nest der Anarchie und der wahnwitzigen Hoffnungen; hier, hier ist der verbrecherische Plan der Verbindung mit der Erde geboren worden. Wir werden mit dem Pflug über die großen Plätze hinweggehen. Wir lassen nur die lebensnotwendigen Einrichtungen und Betriebe stehen. Dort werden wir die Verbrecher, die Alkoholiker und Wahnsinnigen, alle, die von Unerfüllbarem träumen, arbeiten lassen. Wir werden sie in Ketten schmieden. Wir schenken ihnen das Leben, nach dem sie so sehr dürsten. Allen, die mit uns einverstanden sind, die sich unserem Willen unterwerfen, werden wir ein Landgut zuweisen und ihnen ein komfortables Leben sichern. Zwanzig Jahrtausende einer unaufhörlichen Arbeitsfron geben uns das Recht, endlich müßig, ruhig und beschaulich zu leben. Das Ende der Zivilisation wird die Krone des Goldenen Zeitalters tragen. Wir werden öffentliche Feste und wunderbare Zerstreuungen veranstalten. Vielleicht wird sich die von mir angegebene Frist des Lebens noch um einige Jahrhunderte verlängern lassen, weil wir in Ruhe leben werden.«
    Das Amphitheater hörte schweigend und gebannt zu. Tuskubs Gesicht hatte sich mit Flecken bedeckt. Er schloß die Augen, als schaue er in die Zukunft. Er verstummte plötzlich.
    Das dumpfe, vielstimmige Getöse der Menge war von außen unter die Gewölbe des Saales gedrungen. Gor erhob sich. Sein Gesicht war verzerrt. Er riß sich das Käppchen vom Kopf und schleuderte es weit von sich. Mit ausgestreckten Armen stürzte er über die Bänke hinunter auf Tuskub zu. Er packte Tuskub an der Kehle und stieß ihn von der brokatbedeckten Erhöhung hinunter. Ebenso, mit ausgestreckten Armen und gespreizten Fingern, drehte er sich um und stand nun vor dem Amphitheater. Er schrie, und es schien, als müsse er die ausgedörrte Zunge vom Gaumen losreißen: »Gut. Der Tod? Soll es der Tod sein! Für euch!…. Für uns ist es der Kampf….«
    Man sprang von den Bänken, lärmte, einige Gestalten liefen hinunter, zu dem auf dem Gesicht am Boden liegenden Tuskub.
    Gor sprang zur Tür. Mit dem Ellbogen warf er einen Soldaten beiseite. Die Schöße seines schwarzen Mantels flatterten vor dem Ausgang zum

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