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Aelita

Aelita

Titel: Aelita Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexej Tolstoi
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der mit geschlossenen Augen im heißen Strahl der Sonne zart und verzückt sein Lied singt, auch nur einen winzigen Tropfen der menschlichen Weisheit zu verstehen, und der Vogel wird tot zur Erde fallen.
    Von draußen drang das langgezogene Pfeifen des davonfliegenden Bootes durch das Fenster. Gleich danach steckte Icha den Kopf durch die Tür der Bibliothek.
    »Sohn des Himmels, kommen Sie zum Mittagessen?«
    Losj begab sich eilig in das Speisezimmer, einen weißen runden Raum, in dem er in diesen Tagen zusammen mit Aëlita zu Mittag gegessen hatte. Hier war es heiß. Die Blumen in den hohen Vasen vor den Säulen verbreiteten einen schweren, er stickenden Duft. Icha wandte ihre von Tränen geröteten Augen ab und sagte: »Sie werden allein speisen, Sohn des Himmels.« Bei diesen Worten legte sie weiße Blumen auf Aëlitas Gedeck.
    Losjs Gesicht verdunkelte sich. Düster setzte er sich an den Tisch. Das Essen rührte er nicht an, zerkrümelte nur etwas Brot und trank einige Gläser Wein. Von der über dem Tisch befindlichen Kuppel aus Spiegelglas herab ertönte, wie gewöhnlich während des Mittagessens, eine leichte Musik. Losj preßte die Kiefer zusammen.
    Aus der Wölbung der Kuppel erklangen zwei Stimmen – ein Streich- und ein Blasinstrument; sie vereinigten und verflochten sich und sangen vom Unerfüllbaren. Bei den hohen verklingenden Tönen gingen sie auseinander, die tiefen aber flehten, wie aus dem Grabe, mit sehnsüchtigen Stimmen, bewegt riefen sie einander an und sangen aufs neue von Wiederbegegnung, sich nahe kommend und kreisend, wie in einem alten, alten Walzer.
    Losj saß und preßte den schmalen Pokal in der Faust zusammen. Icha stellte sich hinter eine Säule, nahm den Rocksaum hoch und verbarg darin ihr Gesicht; ihre Schultern bebten. Da warf Losj die Serviette hin und erhob sich. Die schmachtende Musik, der schwüle Duft der Blumen, der würzige Wein – all das war ganz umsonst.
    Er trat auf Icha zu. »Kann ich Aëlita sehen?«

    Ohne den Rocksaum vom Gesicht zu nehmen, schüttelte
    Icha ihr rotes Haar. Losj packte sie an den Schultern. »Was ist passiert? Ist sie krank? Ich muß sie sehen.« Icha entschlüpft unter Losjs Ellbogen und lief davon.
    Auf dem Boden, neben der Säule, lag eine von Tränen nasse Photographie, die Ichoschka hatte fallenlassen. Es war ein Bild von Gussew in voller Kriegsausrüstung: Tuchhelm, Riemen über der Brust, die eine Hand am Säbelgriff, in der anderen ein Revolver, hinter ihm explodierende Granaten; die Unterschrift lautete: »Der reizenden Ichoschka zur unvergeßlichen Erinnerung.«
    Losj schleuderte die Photographie weg, verließ das Haus und schritt über die Wiese dem Wäldchen zu. Er machte, ohne es zu merken, riesige Sprünge und murmelte: »Sie will mich nicht sehen – dann nicht, meinetwegen. Da gerät man in eine andere Welt, macht unerhörte Anstrengungen…, um in der Sofaecke zu sitzen und zu warten: Wann denn, wann endlich kommt die Frau herein…. Wahnsinn! Besessenheit! Gussew hat recht: Das ist ein Fieber. ›Mir ist was Süßes in die Nase gestiegen.‹ Warten, wie auf das Ende der Welt… auf einen zärtlichen Blick…. Zum Teufel mit allem!….«
    Diese Gedanken waren grausam und verletzend. Losj schrie auf, wie von einem Zahnschmerz. Seine Kräfte nicht ermessend, sprang er meterhoch in die Luft und konnte sich beim Fallen kaum auf den Beinen halten. Sein weißes Haar flatterte. Er haßte sich selber mit ingrimmigem Haß.
    Jetzt hatte er den See erreicht. Das Wasser war wie ein Spiegel; auf seiner schwarzblauen Oberfläche lagen flammende Garben von Sonnenstrahlen. Es war schwül. Losj setzte sich auf einen Stein und umfaßte seinen Kopf.
    Aus der durchsichtigen Tiefe des Sees schwammen langsam purpurrote runde Fische in die Höhe, sie bewegten die langen stachligen Flossen und blickten Losj mit ihren wäßrigen Augen gleichgültig an.
    »Hört es, ihr Fische…, ihr glotzäugigen, dummen Fische«, sagte Losj mit halblauter Stimme, »ich bin ruhig, ich spreche bei vollem Bewußtsein. Mich quält die Neugierde und brennt mich: sie in die Arme zu nehmen, wenn sie eintritt in ihrem schwarzen Kleid. Zu hören, wie ihr Herz schlagen wird…. Sie selbst wird sich mit einer langsamen Bewegung an mich lehnen… Ich werde zusehen, wie es in ihren Augen wild aufglimmt…. Seht, Fische, ich stocke, ich breche ab, ich denke nicht weiter, ich will nicht. Genug. Das Fädchen ist gerissen – Schluß. Morgen geht es in die Stadt. Kampf – schön! Der

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