Aelita
stiegen auf in die strahlende Bläue….
Gussew und der Pilot brachten das Boot in die Höhle, legten sich vor dem Eingang hin und breiteten eine Karte aus. Um diese Zeit kam Icha von oben, von dem Felsen heruntergelaufen. Als sie Gussew erblickte, faßte sie sich mit beiden Händen an die Wangen. Tränen stürzten in Bächen aus ihren verliebten Augen. Gussew lachte vor Freude.
Losj stieg allein hinunter in die Schlucht zur Heiligen Schwelle. Wie auf Windesflügeln trug es ihn über die steilen Treppchen, über die schmalen Übergänge und Brükken. Was würde mit Aëlita, was mit ihm geschehen, würden sie sich retten können oder untergehen? Er überlegte nicht, und wenn die Gedanken daran kamen, schob er sie von sich. Die Hauptsache und das Erschütternde war, daß er jetzt gleich die »aus dem Licht der Sterne Geborene« wiedersehen würde. Nur hineinschauen in dieses schmale bläuliche Gesicht, sich selbst vergessen in den Wogen der Freude.
Als er voller Ungestüm über die bogige Brücke lief, durch die Dampfwolken, die von dem darunterliegenden Höhlensee aufstiegen, erblickte Losj, ebenso wie beim erstenmal, die jenseits der niedrigen Säulen sich ausbreitende Mondlandschaft der Berge. Er trat vorsichtig hinaus auf das Felsplateau, das über dem Abgrund hing. Matt schimmerte das Gold der Heiligen Schwelle.
Es war drückend heiß und still. Voller Rührung und Zärtlichkeit hätte Losj am liebsten das rötliche Moos, die Spuren der Füße auf dieser letzten Zufluchtsstätte der Liebe geküßt.
Tief unter ihm ragten verkarstete Bergspitzen in die Höhe. Im dunklen Blau funkelten die Gletscher. Ein stechendes Gefühl der Trauer preßte sein Herz zusammen. Da war die Asche von dem Feuer, dort das zerdrückte Moos an der Stelle, wo Aëlita das Lied der Ulla gesungen hatte. Eine Eidechse mit gratigem Rückenkamm lief zischend über die Steine und erstarrte mit zurückgewandtem Kopf.
Losj näherte sich dem Felsen, der kleinen dreieckigen Tür; er öffnete sie, bückte sich und betrat die Höhle.
In den weißen Kissen, im Schein des von der Decke herabhängenden Lämpchens, schlief dort Aëlita. Sie lag auf dem Rücken und hatte den nackten Arm unter den Kopf geschoben. Ihr schmales Gesichtchen sah traurig und sanft aus. Die fest geschlossenen Wimpern zuckten, wahrscheinlich träumte sie.
Losj kniete am Kopfende ihres Lagers nieder und blickte, gerührt und erregt, auf die Gefährtin des Glücks und des Leids. Alle Qualen der Welt hätte er jetzt ertragen mögen, damit dieses wunderbare Antlitz sich niemals verdüstere, damit sein Liebreiz, der unschuldige Atem der Jugend ewig erhalten bliebe; sie atmete, und eine Strähne ihres aschfarbenen Haars, die auf ihrer Wange lag, hob und senkte sich.
Losj mußte an das denken, was da unten in der Dunkelheit des Labyrinths, in dem tiefen Schacht, atmete, raschelte und zischte und auf seine Stunde wartete. Er stöhnte auf vor Angst und Unruhe des Herzens. Aëlita erwachte mit einem tiefen Atemzug. Einen Augenblick lang sahen ihre Augen Losj verständnislos an. Ihre Brauen hoben sich verwundert. Mit beiden Händen stützte sie sich auf die Kissen und richtete sich auf.
»Sohn des Himmels«, sagte sie leise und zärtlich, »mein Sohn, meine Liebe….«
Sie verdeckte nicht ihre Blöße, nur eine Röte der Verwirrung stieg in ihre Wangen. Ihre bläulichen Schultern, ihre kaum entwickelte Brust und die schmalen Hüften erschienen Losj, als wären sie aus dem Licht der Sterne geboren. Er verharrte weiter in kniender Stellung vor dem Bett und schwieg: denn allzu groß war die Freude, die Geliebte anzuschauen. Wie gewitterschwangere Dunkelheit kam ein bittersüßer Duft auf ihn zu.
»Ich habe dich im Traum gesehen«, sagte Aëlita, »du hast mich auf den Armen über gläserne Treppen getragen, immer höher hinauf. Ich hörte das Pochen deines Herzens. Dein Blut schlug darin und erschütterte es. Und Sehnsucht ergriff mich. Ich wartete darauf, daß du endlich stehenbleiben würdest, daß die Sehnsucht ein Ende haben würde. Ich will wissen, wie die Liebe ist. Ich kenne nur die Schwere und die Entsetzlichkeit der Sehnsucht…. Du hast mich aufgeweckt.« Sie hielt inne, ihre Brauen hoben sich noch mehr. »Du blickst so seltsam, O mein Riese!«
Mit einer hastigen Bewegung rückte sie von ihm ab bis an den äußersten Rand des Bettes. Ihr Mund war leicht geöffnet, als wollte sie sich verteidigen wie ein kleines wildes Tier.
Losj sprach mit Anstrengung: »Komm zu mir.«
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