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Aelita

Aelita

Titel: Aelita Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexej Tolstoi
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sterbe, wenn meine Augen sich verdrehen und ich die Zähne zusammenpresse, wenn mich die letzten Zuckungen überwältigen und dann alles zu Ende ist… in diesem Augenblick, wird dann die ganze Welt, alles was ich mit meinen Augen gesehen habe, wird sie aus den Angeln gehoben sein oder wird sie es nicht? Das ist ja das Schreckliche, ich liege tot da, mit gebleckten Zähnen – und das soll ich sein? Ich kenne mich doch vom dritten Lebensjahr an…. Und alles auf der Welt soll seinen Gang weitergehen? Das ist nicht zu begreifen. Seit neunzehnhundertvierzehn morden wir Menschen, und wir haben uns daran gewöhnt. Was ist ein Mensch? Du legst das Gewehr auf ihn an, und der Mensch ist gewesen. Nein, Mstislaw Sergejewitsch, das ist nicht so einfach. Ich habe einmal in der Nacht auf einem Wagen gelegen, verwundet, mit der Nase nach oben und ich schaute zu den Sternen empor. Es war, als läge ein Stein auf meinem Herzen, übel konnte einem werden. Eine Laus, dachte ich bei mir, oder ich – ist das nicht ganz dasselbe. Die Laus will essen und trinken, und ich auch. Der Laus fällt das Sterben schwer und mir auch. Das gleiche Ende. Und in diesem Moment sah ich, daß die Sterne herausgekommen waren – als hätte jemand Hirse ausgestreut… es war schon Herbst, im August. Und da erbebte mir doch das Herz. Mir schien, Mstislaw Sergejewitsch, als ob alle Sterne in meinem Innern wären. Nein, ich bin keine Laus. Nein. Wenn mir die Tränen aus den Augen strömen…. Was ist denn das? Der Mensch ist keine Laus. Mir den Schädel spalten – das ist eine entsetzliche Tat, ein ungeheuerlicher Mordanschlag. Aber da hat man sich auch noch Giftgase ausgedacht. Ich will leben, Mstislaw Sergejewitsch. Ich kann hier nicht in dieser verdammten Finsternis…. Was stehen wir denn hier, in der Tat….«
»Er ist hier«, sagte Losj, noch immer mit einer seltsamen Stimme.
Zur selben Zeit lief von weit her ein Donnergepolter durch die zahllosen Tunnel. Das Gesimse, auf dem sie standen, zitterte, die Wand bebte. Steine kollerten in die Dunkelheit, Die Wellen des Donnergepolters rollten vorüber, ebbten ab und verklangen in der Ferne. Das war die siebente Explosion. Tuskub hatte sein Wort gehalten. Nach der Entfernung ließ sich feststellen, daß Soazera jetzt weit im Westen lag.
    Eine Zeitlang hörte man noch fallende Steinchen schurren. Dann wurde es still, noch stiller. Gussew bemerkte als erster, daß die Seufzer in der Tiefe aufgehört hatten. Jetzt drangen von dort merkwürdige Laute in die Höhe – ein Rascheln, ein Zischen: es war, als begänne dort eine breiige Flüssigkeit zu kochen. Gussew schien jetzt völlig den Kopf verloren zu haben; er lief tastend mit ausgebreiteten Armen an der Wand entlang, aufschreiend, schimpfend und Steine fortschleudernd.
    »Das Gesims zieht sich im Kreis herum. Hören Sie? Es muß einen Ausgang geben. Teufel, ich bin mit dem Kopf angestoßen.«
    Eine Weile bewegte er sich schweigend vorwärts, dann rief er aufgeregt von irgendwoher, unmittelbar vor Losj, der, ohne sich zu rühren, an der Wand stehengeblieben war: »Mstislaw Sergejewitsch… Eine Klinke… Ein Hebelschalter… Wahrhaftig, ein Hebelschalter….«
    Ein kreischendes, rostiges Knirschen – ein staubiges Licht flammte unter einer niedrigen Kuppel aus Ziegelsteinen auf. Die Pfeiler des flachen Gewölbes stützten sich auf den schmalen Ring des Gesimses, das über einem runden Schacht von etwa zehn Meter Durchmesser hing.
    Gussew hatte noch immer den Griff des Hebelschalters gefaßt. Auf der gegenüberliegenden Seite des Schachts, unter einem der Kuppelbogen lehnte Losj dicht an der Wand. Er hatte vor dem blendenden Licht die Augen mit der Hand verdeckt. Dann sah Gussew, wie Losj die Hand von den Augen wegnahm und hinunter in den Schacht blickte. Er beugte sich weit vor, blickte aufmerksamer hin. Seine Hand begann zu zittern, als ob er mit den Fingern etwas abschütteln wollte. Er hob den Kopf, seine Haare standen zu Berge und glichen einem Heiligenschein, die Augen waren weit aufgerissen, wie vor tödlichem Entsetzen.
    Gussew schrie ihm zu: »Was sehen Sie da?« und blickte erst dann in die Tiefe des steinernen Schachtes. Dort schwankte und wälzte sich ein schwarzbraunes Fell hin und her. Von ihm ging dieses Zischen aus, dieses immer stärker werdende unheilverkündende Geraschel. Das Fell hob sich, blähte sich auf. Es war ganz und gar bedeckt von Augen, die dem Licht zugewendet und groß wie Pferdeaugen waren, von zottigen Pfoten…
    »Der

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