Aelita
traurigen Tuma verlassen habe.
»Icha, Icha«, rief er immer wieder mit kläglicher Stimme, »sub wcho tua merra tua murra….«
Gussew hatte das Militärluftschiff, das ihm den Weg abschneiden wollte, nicht gleich bemerkt. Er kontrollierte seinen Flug nach der Karte, blickte von Zeit zu Zeit hinunter auf die entschwebenden Felsen von Lysiasira und hielt seinen Kurs gen Osten, zu den Kaktusfeldern, wo sie den Apparat zurückgelassen hatten.
Hinter ihm, im Boot, saß zurückgelehnt der Körper seines Gefährten; die Zipfel des an seinem Leib klebenden Lakens flatterten im Wind. Losj saß unbeweglich wie ein Schlafender, an ihm war nichts von der abstoßenden Häßlichkeit eines Leichnams. Gussew fühlte erst jetzt, wie teuer ihm dieser Mann war.
Das Unglück hatte sich folgendermaßen zugetragen: Gussew, Ichoschka und der Pilot hatten gerade in der Felsengrotte bei dem Boot gesessen und gelacht. Plötzlich ertönten unten Schüsse. Danach ein Aufschrei. Und eine Minute später stieg aus der Schlucht, gleich einem Geier, das Militärluftschiff auf, das den gefühllosen Körper Losjs auf dem Felsplateau zurückgelassen hatte. Es kreiste noch eine Weile ausspähend über dem Gebirge.
Gussew spuckte über Bord, dermaßen war ihm nun der Mars zuwider. Jetzt nur den Apparat erreichen und Losj einen Schluck Schnaps einflößen. Er berührte den Körper, er war kaum merklich warm: seit Gussew ihn auf dem Plateau hochgehoben hatte, war noch keine Erstarrung eingetreten. ›Gott geb es und er kommt wieder zu sich.‹ Gussew hatte an sich selber die schwache Wirkung der marsianischen Kugeln erfahren. ›Aber die Ohnmacht dauert bereits allzu lange.‹ Besorgt wandte er sich nach der Sonne um, die sich dem Untergang zuneigte, und da erblickte er das aus der Höhe herabstoßende Luftschiff.
Um einer Begegnung auszuweichen, drehte Gussew das Steuer und nahm Kurs nach Norden. Aber auch das Luftschiff änderte seine Richtung. Von Zeit zu Zeit erschienen die gelblichen Rauchwölkchen von Gewehrschüssen. Da begann Gussew, das Boot hochsteigen zu lassen; er rechnete damit, die Geschwindigkeit beim Abstieg verdoppeln zu können und so dem Verfolger zu entgehen.
Der eisige Wind pfiff in den Ohren. Tränen verdunkelten die Augen und gefroren an den Wimpern. Eine Schar widerwärtiger, unbeholfen mit den Flügeln schlagender Ichi versuchte, sich auf das Boot zu stürzen, verfehlte jedoch ihr Ziel und blieb zurück. Gussew hatte schon längst die Richtung verloren. Er fühlte sein Blut in den Schläfen pochen, die stark verdünnte Luft peitschte eisig gegen sein Gesicht. Nun ging Gussew in voller Fahrt abwärts. Das Luftschiff blieb zurück und verschwand hinter dem Horizont.
Unter ihm dehnte sich jetzt, soweit das Auge reichte, eine kupferrote Wüste. Ringsum kein Bäumchen, kein lebendes Wesen. Einzig und allein der Schatten des Bootes flog über die flachen Hügel, über die gewellte Oberfläche des Sandes, über die Risse des steinigen, wie Glas aufglitzernden Bodens. Hier und da warfen die Ruinen ehemaliger Wohnstätten einen traurigen Schatten. Und überall war diese Wüstenei durchfurcht von den Betten der ausgetrockneten Kanäle.
Die Sonne senkte sich immer tiefer, dem gleichmäßigen Rand der Sandfelder zu, schon breitete sich das melancholische kupferne Rot des Sonnenuntergangs aus, und Gussew sah unter sich nichts als wellige Sandflächen, Hügel und die zu Staub zerfallenen Ruinen des sterbenden Tuma.
Die Nacht brach schnell herein. Gussew ging nieder und landete auf einer sandigen Ebene. Er stieg aus dem Boot, nahm das Laken von Losjs Gesicht und hob seine Augenlider, preßte das Ohr an sein Herz – Losj saß da, weder tot noch lebendig. An seinem Finger bemerkte Gussew ein an einem Kettchen hängendes winziges Flakon, das geöffnet war.
»Ach, diese Einöde«, sagte Gussew und entfernte sich ein Stück von dem Boot. Eisige Sterne entzündeten sich an dem unermeßlich hohen schwarzen Himmel. Bei ihrem Schein erschien der Sand grau. Es war so still, daß Gussew das Rieseln des Sandes in der tiefen Spur seiner Füße hören konnte… Der Durst quälte, die Schwermut übermannte ihn. – »Ach, diese Einöde!« – Gussew kehrte zum Boot zurück und setzte sich ans Steuer. Wohin fliegen? Der Stand der Gestirne war absonderlich und ihm völlig fremd.
Gussew schaltete den Motor ein, doch die Luftschraube blieb wieder stehen, nachdem sie sich ein paarmal träge gedreht hatte. Der Motor arbeitete nicht: die Hülse mit dem
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