Aelter werden ist viel schoener als Sie vorhin in der Umkleidekabine noch dachten - Neues aus der Lebensmitte
Nichten, die sie liebt. Nicht zu vergessen den Kleingarten mit der Buddhafigur, den Lise hegt und pflegt. Demnächst will sie in eine Wohnung in einer Hausgemeinschaft ziehen.
Lise war einige Monate lang Mitglied bei einer Datingagentur im Internet und hatte in den vergangenen drei Jahren eine kurze Affäre. Während ihrer Mitgliedschaft bei der Agentur antworteten viele Männer entweder gar nicht auf ihre Kontaktanfragen oder wollten erst ihr Foto sehen, um dann auf Nimmerwiedersehen in die Weiten des Web abzutauchen. Manche ältere Männer wollten bei den Frauen aus ihrer Generation nur ihre Chancen testen, um ihr Ego zu füttern, glaubt Lise. Kapriziös wie 15 -jährige Girlies seien die Männer. Am schlimmsten seien die Akademiker, die hielten sich für ganz heiße Ware auf dem Partnerschaftsmarkt.
Dass ihre Libido altersbedingt abnimmt, sei für sie angesichts dieser Angebotslage weiß Gott keine Katastrophe, erklärte Lise. »Ich kann der Natur nur auf Knien danken, dass sie mich allmählich vom Hormondruck befreit.«
Lise ist ein sinnlicher Mensch. In ihrem Kleingarten buddelt sie, pflanzt und gießt. Neulich erklärte sie mir eine Entspannungsposition im Yoga, bei der man auf dem Rücken liegt, die Beine in die Luft streckt und sich fühlt wie ein glückliches Baby. Bei Lise muss ich an eine Studie denken, die ergab, dass jene Menschen bessere Chancen auf ein langes Leben haben, die in der Lage sind, anderen etwas zu geben, sie zu unterstützen und zu mögen. Weniger wichtig ist, ob man von anderen begehrt oder bewundert wird. Ich finde solche Studien beruhigend.
»Wenn Frauen in unserem Alter einen Partner suchen, geht es vielleicht gar nicht in erster Linie um Sex«, sagt Suse und verschränkt die Arme. »Der Wunsch nach Nähe und Wertschätzung ist mindestens genauso wichtig. Sex kann man auch mit sich selber haben.« In Ursulas Sportwagen kommen wir jetzt auf eine gefährliche Gefällestrecke Richtung Jena, ein Schild warnt davor. Ursula nimmt den Fuß vom Gas.
Ich wäre mit einer Arbeitskollegin im Auto nicht so weit gegangen wie Suse, auch noch das Thema Selbstbefriedigung anzuschneiden.
Suse spielt auf einen Kommentar zu ihrer Blogdebatte an. Die Autorin mit dem Pseudonym »Good Vibrations« hatte gepostet: »Wer sagt eigentlich, dass Singles einen sexuellen Notstand haben? Selbstbefriedigung ist Sex mit jemandem, den ich liebe. Hat Woody Allen schon gesagt.« Doch über dieses Thema redet man nicht mal unter Freundinnen.
Ursula überholt auf der Gefällestrecke elegant einen Lastzug mit rumänischem Nummernschild. Der Fahrer hupt, warum, weiß ich nicht. Ich bin inzwischen in dem Alter, in dem ich es sogar nett finde, wenn mir Bauarbeiter auf der Straße hinterherpfeifen. So ändern sich die Zeiten. Vorne taucht das Hinweisschild einer Raststätte auf. Ich würde mich gerne mal ein bisschen strecken.
»Die Paarbeziehung ist vielleicht sogar ein Auslaufmodell«, fährt Suse fort. Sie hat einen provozierenden Ton angeschlagen. »Guck dir die Fernsehserien an: Staatsanwälte, Verteidiger, Kommissare, Gerichtsmediziner– die sind alle geschieden oder verwitwet, habe schwere Traumata erlebt, können nur noch die Nähe zu Arbeitskollegen, Hauskatern oder kauzigen Vermietern aushalten und führen die tiefsinnigsten Gespräche mit Zeugen und Verdächtigen.« »Viele Leute haben auch in der Wirklichkeit schräge Netzwerke«, bemerke ich.
Leben in Neoallianzen
Meine Freundin Tine zum Beispiel unterhält so ein eigenwilliges Bezugssystem. Tine hat schon seit 15 Jahren keine sexuelle Beziehung zu einem Mann mehr, seitdem Dieter sie verlassen hat. Mit unserer Freundin Britt pflegt Tine »Shiatsu-Abende«, wie die beiden mir erzählten. Die Frauen behandeln sichgegenseitig mit der Druckpunktmassage,beiKerzenschein läuft dazu manchmal sanfter Jazz. Ich debattiertemit Tine schon mal länger über Fußreflexzonen. Um die Shiatsu-Abende beneide ich die zwei ein bisschen.
Tine unternahm einen einzigen Versuch, wieder einen Partner zu finden. Sie entdeckte eine Kontaktanzeige in einem Lokalblatt, das sie während eines Besuches in Franken las. Ein 64 -jähriger »Pferdezüchter« suchte eine Frau. Tine war begeistert, nahm Kontakt per SMS auf undsah sich schon mit ihrem neuen Bekannten in den Sonnenuntergang reiten, jeder auf seinem Pferd wohlgemerkt.
Es folgte ein reger SMS -Austausch. Zwei Tage vor dem ersten Treffen mit ihrem Pferdezüchter ging ich mit Tine einen Kaffee trinken und wir kamen auf das
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