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Aelter werden ist viel schoener als Sie vorhin in der Umkleidekabine noch dachten - Neues aus der Lebensmitte

Aelter werden ist viel schoener als Sie vorhin in der Umkleidekabine noch dachten - Neues aus der Lebensmitte

Titel: Aelter werden ist viel schoener als Sie vorhin in der Umkleidekabine noch dachten - Neues aus der Lebensmitte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Dribbusch
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Thema Sex zu sprechen. Was, wenn der Typ bald zum Äußersten kommen wolle? »Puh, will ich eigentlich nicht unbedingt. Naja, also mal sehen«, druckste Tine herum. Der Mann erschien zum Date, doch die beiden hatten sich nicht wirklich viel zu sagen, was mehr auffällt, wenn man sich live gegenübersitzt und nicht nur SMS -Botschaften funkt. Danach erklärte mir Tine, gegenüber einem älteren Mann müsse sich bei ihr erst das Seelische entwickeln, damit sie zum Körperlichen bereit sei. Früher sei es umgekehrt gewesen. Zu einem weiteren Treffen kam es nicht.
    Tine hat keine Kinder. Sie engagiert sich im Tierschutz und hängt sehr an ihrem Labrador Rasputin. Raspi gebe ihr jede Menge Streicheleinheiten, erklärte Tine. Ich habe den Verdacht, Raspi kommt öfter nachts zu Tine und legt sich auf die Decke des Doppelbetts zum Kuscheln. Sein Name steht auch auf dem Klingelschild an der Tür. »Schließlich wohnen hier zwei Lebewesen«, meinte Tine. Sie führt eine Art Hunde-Ehe.
    Wenn ich mit Tine und Rasputin spazieren gehe– ich habe den Hund auch gerne, jedenfalls ab und an–, muss ich an den Frankfurter Sexualwissenschaftler Volkmar Sigusch denken. Er ist der Meinung, die intimen Beziehungen fächern sich in unserer Gesellschaft auf. Es gebe immer mehr »Neoallianzen« mit anderen Objekten als menschlichen Partnern. »Nicht selten wird das Haustier wie ein geliebter Mensch behandelt, geherzt, geküsst, verwöhnt«, schreibt Sigusch. Zu den Liebesobjekten für Neoallianzen würde ich übrigens nicht nur Tiere, sondern auch Autos, iPhones und Kleingärten zählen.
    Sigusch findet diese Beziehungen zeitgemäß. Ein Berliner Essayist rügte hingegen die »Streichelprostitution« der Haustiere. Sind Hund und Katze Zwangsprostitutierte? »Völliger Quatsch«, findet Tine. Tiere verhielten sich nicht so mies wie Menschen, da werde keine Romantik vorgegaukelt. Das Thema Hunde-Ehe und Streichelprostitution spreche ich in Ursulas Cabrio besser nicht an. Wer weiß, vielleicht hat Suses Kollegin auch ein Tier zuhause.
    Unerwartete Nähe
    »Nahbeziehungen werden einfach schillernder«, sagt Suse. »Die passen nicht mehr so in Schubladen.« Wir haben jetzt schon eine weite Strecke zurückgelegt. Ich brauche eine Pause und muss mal aussteigen. Ursula nimmt auf meine Bitte die Ausfahrt zur Raststätte. »Vielleicht entsteht Intimität heute auch da, wo man sie früher nicht vermutet hätte«, meint sie. »Das Internet hat viel verändert. Chatten, skypen, das sind ganz neue Formen, um miteinander in Beziehung zu treten.« Wir halten an. Endlich kann ich aus dem Auto klettern und meine Glieder strecken.
    »Ursula muss sich so aufbrezeln«, erklärt mir Suse auf dem Damenklo der Raststätte auf meine Frage. Eigentlich sei sie eher öko und nicht so auf schick. Aber sie habe in Frankfurt ein Gespräch mit dem Geschäftsführer der Mutteragentur. Sie soll die stellvertretende Leitung der Abteilung »Health and Lifestyle« übernehmen. Den BMW habe sie von ihrer Schwester geliehen bekommen.
    Ursula ist seit Langem geschieden, hat eine erwachsene Tochter und seit anderthalb Jahren einen etwa gleichaltrigen Lebensgefährten, einen Bewässerungsingenieur, erfahre ich von Suse. Ihr Freund wurde leider vor einem Jahr nach Abu Dhabi versetzt. Das Paar skype fast jeden zweiten Abend, Ursula rezitiere dabei sogar Gedichte. »Sie achtet immer auf eine vorteilhafte Beleuchtung vor der Webcam«, erzählt Suse. »Die beiden können sich doch nur alle zwei Monate treffen.« Nur alle zwei Monate Sex. War das nicht auch Suses Frequenz? Aber ich halte die Klappe. Von Mengenangaben habe ich genug. Die Liebe ist kein Kochrezept.
    Ich werde den Rest der Fahrt über was Neutrales reden. Wirtschaft. Angebot und Nachfrage und wie das alles so zusammenhängt. Sind doch noch einige Stunden zurückzulegen.
    »Bei den Menschen ist es wie in der Wirtschaft: Entscheidend ist die Binnennachfrage«, sage ich, als wir wieder im Cabrio sitzen und weiter Richtung Frankfurt düsen. Ich durfte nach vorne wechseln, Suse ist jetzt hinten. Ursula hat die Heizung im Auto angestellt. Ich spüre den warmen Wind. »Angebot und Nachfrage, das ist ein komplexes Zusammenspiel«, meint Ursula. »Da entstehen neue Märkte, im Kommunikationsbereich zum Beispiel.« Genau. Neue Entwicklungen sollten wir im Auge behalten. Das gilt besonders für die zwischenmenschlichen Beziehungen in einer alternden westlichen Welt.

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