Aelter werden ist viel schoener als Sie vorhin in der Umkleidekabine noch dachten - Neues aus der Lebensmitte
Jahren immer was von »Freiheit« erzählen, und dann, mit über 50 , doch noch schnell Kinder und Familie haben wollen aus Angst vor Einsamkeit und Tod.
Aber ich will cool bleiben. Nicht moralisch werden gegenüber Winnie, das fühlt sich so opfermäßig an. Britt warnt ohnehin vor jeder Form von weiblichem Selbstmitleid: »Viele Frauen ärgern sich im Alter doch nur, dass sie nicht mehr die bequeme Bestätigung von irgendwelchen Statustypen kriegen wie mit 20 «, sagte sie einmal zu mir. »Da soll man nicht die feministische Flagge hissen. Erinnere dich mal an den Größenwahn, den wir mit 20 hatten. Wie wir mitleidig auf die älteren Frauen heruntergeschaut haben. Wir glaubten, jeder zweite Ehemann ab 40 würde wegen uns sofort seine Frau verlassen. Das ist nun der Ausgleich.« Britt lässt manchmal Sätze raus, klar und kalt wie Gletscherwasser.
Doch sie hat Recht: Meine Jugendfreundin K. aus München, eine schlanke hübsche Frau mit langen, rotbraunen Locken, riesigen grünen Augen und allerlei anderen Schlüsselreizen, hat viele Männerbekanntschaften gehabt. Zwei B-Promis waren auch unter ihren Liebhabern. K. war als Werbekauffrau selbst beruflich nicht sonderlich erfolgreich und ließ sich von den Männern mitfinanzieren.
Mit Mitte 40 , als die Aufmerksamkeit der Herren deutlich nachließ, verwandelte sich K. in eine scheinbare Radikalfeministin. Der Schönheitsstress und die Männer, die kaum noch Augen für sie hatten– all das war für sie jetzt der Beweis für eine zutiefst ungerechte Welt, in der es keine echte Liebe gab, sondern nur eine »himmelschreiende Benachteiligung« der Frauen, vor allem der jenseits der 40 .
Auf K. mit ihrem Hang zu Statustypen trifft zu, was mir der Freiburger Männerforscher Hans-Joachim Lenz erklärte. Er wies darauf hin, dass zum Beweis der Ungleichheit zwischen Männern und Frauen immer Herren in Spitzenpositionen herangezogen würden. Die meisten Männer aber sind keine Alphatiere, sondern rangieren im Mittelfeld. Das würde gerne ignoriert, meint Lenz. Auch von den Frauen.
In der Murellenschlucht kommen Winnie und ich jetzt an eine Abzweigung. Eine Treppe führt rechts nach oben. Hochlaufen oder weiter geradeaus? Die Beschreibung im Wanderführer ist unklar. Wir steigen die Treppe hinauf, was das Problem mit sich bringt, dass die im Wanderführer angegebene »große Wegkreuzung« nicht kommt. Das macht Touren aus Wanderführern so spannend: Man kann vom richtigen Weg abkommen. Ich hatte schon immer Orientierungsprobleme.
Von Gentlemen und Triebtieren
»Ihr Frauen denkt immer, wir hätten es besser«, nimmt Winnie den Gesprächsfaden wieder auf. »Aber das ist falsch. Männer trauen sich nur nicht, so laut zu jammern. Das ist das ganze Geheimnis.« Winnie geht mir heute zwar auf die Nerven, aber seine Ehrlichkeit habe ich an ihm schon immer geschätzt. Ich weiß noch, wie er sich mit seinem Kumpel S. vor einiger Zeit über das Altern unterhielt: »Das Schlimmste ist, wenn du am Bauch zunimmst, aber die Oberschenkel dünner werden«, hatte Winnie zu S. gesagt. »Das sieht richtig scheiße aus«.
Wir wanderten damals als Gruppe um den Hellsee in Brandenburg. Ich war richtig gerührt, dass die Männer untereinander so ehrlich über ihre Körper sprachen. Denn meist wird totgeschwiegen, dass Männer in späteren Jahren ziemlich aus der Form geraten und auch verweiblichen können. Der NDR -Fernsehmoderator Carlo von Tiedemann erregte vor Jahren ziemliches Aufsehen, als er ausplauderte, dass er sich mit 61 das Fett an der Brust habe absaugen lassen.
Männer verstecken ihre Fettansammlungen an Bauch und Brust lieber unter Markenhemden oder weiten Mänteln und setzen sich eine modische Brille auf, um alphamäßig rüberzukommen. So wie mein Ex-Ex-Lover Rick. Ich hatte Rick irgendwann mal gefragt, wie er es denn so aushielte, mit seinem 60- plus-Körper neben einer 35 -Jährigen zu liegen. Ich hätte auch sagen können »auf einer 35 -Jährigen zu liegen«, aber ich wollte nicht zu gehässig sein. Rick antwortete, es käme doch auf die inneren Werte an. Das waren ganz neue Töne.
Als er noch jünger war, hatte Rick behauptet, der Hang zu jungen Frauen sei bei ihm wie bei vielen anderen Männern ein »Tausende Jahre altes Programm im Hirn«, irgendwas »Biologisches«. Das ist genial, sich die Sachen immer so zurechtzulegen, dass sie gerade passen: Mal ist Rick ein vergeistigter, älterer Gentleman voller innerer Werte, dann wieder ein evolutionsgesteuertes Triebtier. So
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