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Aelter werden ist viel schoener als Sie vorhin in der Umkleidekabine noch dachten - Neues aus der Lebensmitte

Aelter werden ist viel schoener als Sie vorhin in der Umkleidekabine noch dachten - Neues aus der Lebensmitte

Titel: Aelter werden ist viel schoener als Sie vorhin in der Umkleidekabine noch dachten - Neues aus der Lebensmitte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Dribbusch
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ich einen grauhaarigen Gast in Trachtenjacke, den ich als Jäger verorte. Offenbar ein Vereinskamerad von Lodenbaum. Er mustert gleichfalls den neuen Tarnanzug.
    »Das klappt nur dann, wenn man auch sein Gesicht und die Hände dunkel bekleidet oder anmalt«, erklärt mir der Herr. »Sonst erkennt das Wild sofort, dass da ein Mensch dahintersteckt.« Das ist Tarnung wie im Kriegsgebiet. »Aber in Berlin laufen die Wildschweine in den Straßen rum, ganz frei und sorglos, obwohl da niemand einen Tarnanzug trägt«, entgegne ich. »Sind die blind oder besonders mutig?« »Kommt drauf an, ob die Wildschweine gejagt werden«, meint der Herr. »In den Straßen werden sie ja nicht geschossen.«
    Die Logik leuchtet mir nicht ein, aber ich bin dankbar für den Smalltalk über die Wildschweinjagd. Ungewöhnliche Hobbys, die einen Anknüpfungspunkt bieten, sind einGeschenk für jeden Partygänger. Denn sie bewahren uns vor der Sprachlosigkeit und der voreiligen Einteilung der Gäste in Winner und Loser, in schön und weniger schön, in interessante und weniger interessante Gesprächspartner.
    Wie erleichternd fand ich neulich bei F.s Party, dass der Gastgeber ein Aquarium im Wohnzimmer stehen hatte. Ein klasse Anknüpfungspunkt! Von einem der Eingeladenen, einem stämmigen Endfünfziger aus dem Bauwesen, der als Hobby auch die Aquaristik pflegt, erfuhr ich auf meine Fragen dann einiges über den Reiz eines »Südamerikabeckens«. Und dass sich dort Kakaduzwergbuntbarsche mit dem marmorierten Beilbauch gut vertragen, allerdings Guppys ein Problem sein könnten, weil die von den Beilbäuchen gefressen werden. Was aber nicht nur schlecht ist, denn so hält man den Guppy-Nachwuchs übersichtlich.
    In Lodenbaums Kaminzimmer stimmen die Musiker jetzt über Kopfhörer ihre Instrumente. Einer der eingeladenen Jäger bläst ins Horn. Lodenbaum ergreift das Wort und erklärt: »Wir machen Hausmusik aus unserer Jugend.« Die Gruppen sollen sich nacheinander aufstellen und zur Musik der Band die Texte absingen, auf Wunsch auch abgrölen. Die unabhängige Jury entscheide dann, welche Gruppe sich am meisten ins Zeug gelegt habe.
    Es gibt vier unterschiedliche Liedersets. Jeder Gast aus den vier Farbengruppen bekommt drei gleichfarbige Blätter mit Liedtexten in die Hand. Jedes Set enthält einen bekannten Udo-Jürgens-Schlager, einen Beatles-Song und einen weiteren Hit aus den 60 er- oder 70 er-Jahren. Ich erkenne »Satisfaction«, aber auch »It’s a Heartache« auf den Blättern.
    Das Wildschwein mit Preiselbeergelee ruht friedlich in meinem Magen, der Wein zirkuliert im Blut– eine gute Grundlage für kommende Herausforderungen.
    Vereint im kollektiven Schlagergedächtnis
    Ich halte meine blau gepunkteten Liedtexte in der Hand, meine Gruppe fängt an: »Griechischer Wein ist so rot wie das Blut der Erde«– dabei schwenke ich mit einem gewissen Showtalent mein drittes Glas Rotwein–, »komm, schenk’ dir ein, und wenn ich dann traurig werde, liegt es daran, dass ich immer träume von daheim, du musst verzeihn.« Hat er seine Texte eigentlich selbst geschrieben? Das Lied können wir erstaunlich lebhaft nachsingen. Ich fand Udo Jürgens früher furchtbar, doch die Melodien sind offenbar in unserem kollektiven Schlagergedächtnis gespeichert.
    Der Gitarrist verspielt sich ein paarmal, doch das passt irgendwie. Christoph singt nach uns in der roten Gruppe: »I can’t get no satisfaction, ’cause I try and I try and I try. I can’t get no, I can’t get no, no satisfaction!« So kenne ich meinen Mann eigentlich nicht, diese punktgenauen Hüpfer in die Luft bei »Satisfaction«, nicht schlecht! Dabei trinkt er gar nichts heute Abend, denn Christoph hat vorhin beim Knobeln verloren und muss uns deshalb nach Hause chauffieren.
    Ich sehe, dass auch Edith in Schwung kommt und mit ihren Liedtexten wedelt. Vielleicht ist die Rothaarige, die vorhin mit Reiner sprach, gar nicht dessen neue Lebensgefährtin. Edith gehört wie Britt zur grünen Gruppe. Sie singen den Udo-Jürgens-Song »Aber bitte mit Sahne«, das Lied über die alten Damen in der Konditorei, dessen Text ich zum ersten Mal bewusst höre: »Doch auch mit Liliane war es schließlich vorbei, sie kippte vom Stuhl in der Konditorei. Auf dem Sarg gab’s statt Kränze verzuckerte Torten und der Pfarrer begrub sie mit rührenden Worten. Dass der Herrgott den Weg in den Himmel ihr bahne– aber bitte mit Sahne!« Britt schleckt sich beim sahnigen Refrain theatralisch über die

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