Äon - Roman
wurden … Ich nehme an, sie sollen irgendwo in Frankreich geöffnet werden.«
»Ich mache Sie hiermit zum Leiter einer Sondereinsatzgruppe, Tanner«, sagte der Innenminister. »Um die organisatorischen Dinge kümmern sich meine Mitarbeiter, aber Sie werden einen besonderen Status bekommen, mit speziellen Vollmachten. Es gilt, schnell zu handeln. Lokalisieren Sie Vogler und die Nephilim. Stellen Sie fest, wo die Verbindung zur … anderen Welt geschaffen werden soll. Sie werden nach Frankreich fliegen und dort mit unseren französischen Kollegen zusammenarbeiten. Signor Giorgesi …«
»Ja, Herr Minister?«
»Ich bitte Sie, Tanner und seine Leute zu begleiten. Sie sind derjenige, der am besten über die Nephilim Bescheid weiß. Wir brauchen Ihre Hilfe.«
Bis vor einigen Tagen hatte Ignazio überhaupt nichts von ihnen gewusst, und jetzt fühlte er sich plötzlich in einen Mahlstrom aus Ereignissen versetzt, die in ferner Vergangenheit wurzelten. Das überlasse ich Ihrem Ermessen, Ignazio . Hatte der Papst eine solche Entwicklung vorausgesehen?
Als Mensch und Christ blieb ihm eigentlich gar keine Wahl. »Wenn ich helfen kann, so bin ich natürlich dazu bereit.«
47
Süddeutschland
W as machen wir hier?«, fragte Sebastian leise und stand vom Y Bett auf.
»Hörst du mir überhaupt zu, Bastian?« Anna saß auf ihrer Seite des Bettes, in einem weißen T-Shirt und knappen beigefarbenen Shorts. Ein dünner Schweißfilm lag auf ihrer olivfarbenen Haut, und die Brüste unter dem Shirt hoben und senkten sich bei jedem Atemzug. Das schwarze Haar war nach hinten geworfen, und in den großen dunklen Augen standen Verletztheit und enttäuschte Hoffnung.
Sebastian ging durch das große Hotelzimmer, öffnete die Tür zum Balkon und trat nach draußen. Schiefergraue Wolken zogen schnell über den Himmel, angetrieben von einem böigen Wind. Die Wipfel der Bäume duckten sich, als der Wind noch stärker wurde und erste, dicke Regentropfen fielen. Aus dem Blaugrün des Sees war bleiernes Grau geworden, und die Wellen trugen Kronen aus Schaum. Die Temperatur fiel, und Sebastian spürte, wie der eigene Schweiß trocknete. Eine Zeit lang stand er da, den Kopf nach hinten geneigt, das heiße Gesicht im Wind, und als er sich schließlich umdrehte, sah er Annas fragenden Blick.
»Was machen wir hier?«, fragte er erneut und staunte über die Trauer in seinen Worten. Etwas lastete auf seiner Seele, grau wie der Himmel, grau wie der See.
»Hast du mir zugehört, Bastian?«
»Ja«, sagte er, und es stimmte. Er erinnerte sich an das Gespräch, an die gut gemeinten Worte und versöhnlichen Gesten. Aber all das spielte keine Rolle. Wichtiger war der Wind, der draußen an den Baumwipfeln zerrte, und das Rauschen der Wellen.
»Und, was meinst du?«
Annas Blick folgte ihm, als er ins Zimmer zurückkehrte. Am Bett blieb er kurz stehen, schaute sie an und suchte in seinem Gedächtnis nach dem, was er ihr hatte sagen wollen. Doch was auch immer es gewesen war: Es verlor ebenso an Bedeutung wie all die gut überlegten und sorgfältig ausgewählten Worte, die Anna an ihn gerichtet hatte. Dies alles war nicht mehr wichtig; es gab keine Zukunft für sie.
Sebastian ging ins Bad, blickte dort in den Spiegel und betrachtete das Gesicht eines hohlwangigen, sehr erschöpft wirkenden Mannes, der ihm fast wie ein Fremder erschien.
»Wenn wir uns beide Mühe geben …«, hörte er Annas Stimme. »Wenn wir es beide wirklich wollen … Warum sollte es keine gemeinsame Zukunft für uns geben?«
Ein Messer lag dort, lang, schmal und spitz, wie ein Brieföffner, aber mit scharfer Schneide. Der fleckenlose Stahl glänzte im Licht der Lampen über dem Frisierspiegel. Sebastians Hand schloss sich um den Griff.
»Hörst du mich, Bastian?«
»Ja«, sagte er. »Ja, ich höre dich.«
»Lass uns aus unseren Fehlern lernen, Bastian«, fuhr Anna fort. »Lass uns über die Dinge sprechen, die uns bewegen. Was meinst du?«
»Ja«, sagte er. Es half, über die Dinge zu sprechen, aber manchmal genügten Worte nicht. Manchmal reichten sie einfach nicht aus und konnten kaum die Spitze des Eisbergs beschreiben, während die große Masse des Problems im Verborgenen blieb. Er drehte sich um und verließ das Bett.
Anna saß noch immer auf dem Bett. »Was meinst du? Sprich mit mir, Bastian. Sag mir, was du denkst.«
»Was ich denke?« Er nahm neben ihr Platz und dachte: Ich weiß nicht, was ich denken soll. Es ist alles so … Er sah zur offenen Balkontür. Der
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