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Äon - Roman

Titel: Äon - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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nicht. Mit der linken Hand hielt er das Ziel fest, und mit der rechten zog er das Messer aus dem Hals und stieß erneut zu, diesmal ins Herz. Der Mann röchelte erneut, und sein Blick brach im Tod, aber Simon ließ ihn nicht los. Er sah ihn an und wartete, drehte nicht einmal den Kopf, als die S-Bahn einen Bahnhof erreichte - die Station Sternschanze - und sich die Türen öffneten. Schreiend drängten die Passagiere nach draußen, und innerhalb weniger Sekunden breitete sich Panik auf dem Bahnsteig aus.
    Simon achtete nicht darauf. Er beobachtete den Mund des Toten, den er noch immer festhielt, und als grauer Dunst herauskam, hob er zufrieden das Kinn. Er öffnete den eigenen Mund, atmete die Wolke ein, ließ den Leichnam dann achtlos fallen und trat durch die nächste Tür des Wagens nach draußen.
     
    Als Kommissar Torensen den Tatort um kurz nach vierzehn Uhr erreichte, war die Spurensicherung fast mit der Arbeit fertig, und der Leichnam lag unter einem Tuch. Er sah sich den Toten kurz an und ließ ihn dann abtransportieren.
    »Das Opfer heißt Viktor Petronow«, sagte einer der Beamten. »Fünfundvierzig Jahre alt, Versicherungsangestellter, ledig. Keine Vorstrafen. Nach den Zeugenaussagen hatte es der Mörder ganz offensichtlich auf ihn abgesehen, und es schien ihm völlig gleichgültig zu sein, bei der Tat beobachtet zu werden.«
    Torensen richtete sich auf und sah aus dem Fenster des S-Bahn-Wagens. Draußen auf dem Bahnsteig wimmelte es von Schaulustigen hinter der Absperrung. Beamte in Zivil und Uniform sprachen mit Passagieren und Zeugen des Verbrechens.

    »Wem es gleichgültig ist, dass man ihn bei einem Verbrechen beobachtet, glaubt für gewöhnlich, dass man ihn nicht identifizieren kann«, sagte Torensen, froh darüber, es nicht mit einem der Fälle von Selbstzerstörung und Wahnsinn zu tun zu haben.
    »Wenn der Mörder davon ausgegangen ist, hat er sich ge - irrt«, sagte ein anderer Beamter, ein junger Mann, und trat näher. »Die Überwachungskameras haben alles aufgezeichnet. Die Aufnahmen sind so gut, dass unsere biometrische Identifizierungssoftware ihm praktisch sofort einen Namen geben konnte. Der Mörder heißt Simon Krystek. Wir haben auch seine Adresse.«
    Torensen nickte anerkennend. »Statten wir ihm einen Besuch ab.«
     
    Mehrere mit schusssicheren Westen ausgestattete Polizisten eilten so leise wie möglich die Treppe hoch und winkten ein erschrockenes älteres Paar beiseite, das ihnen entgegenkam. Torensen zeigte seinen Ausweis. Als ob das nötig gewesen wäre - auf der Schutzkleidung der Beamten stand groß und deutlich »Polizei«.
    Das Apartment befand sich im zweiten Stock eines älteren Wohnhauses. Als sich Torensen dem Eingang näherte, erreichten die ersten Beamten die Tür und brachten sich in Position. Einer von ihnen klingelte. »Hier ist die Polizei. Machen Sie auf.«
    Keine Reaktion.
    Die Polizisten warteten Torensens Nicken ab. Zwei sicherten mit ihren Waffen, und die beiden anderen brachen die Tür auf. Das Krachen lockte andere Bewohner des Hauses in den Flur.

    »Polizei!«, rief Torensen, der die eigene Waffe bereithielt. »Bleiben Sie in Ihren Wohnungen!«
    Mehrere Türen fielen zu. Einige Sekunden blieb alles gespenstisch ruhig, und dann stürmten die Polizisten die Wohnung. Sie stießen auf keinen Widerstand.
    »Er ist nicht da«, wandte sich Torensen an den jungen Beamten in Zivil, der den Namen des Mörders genannt hatte. »Es wäre auch zu schön gewesen.«
    Die Wohnung war leer, hielt aber eine Überraschung bereit. Jemand hatte Schränke, Fernseher und Wände mit roter und blauer Farbe besprüht. Auf den ersten Blick wirkte alles wahllos und wirr, doch als Torensen genauer hinsah, glaubte er, Zeichen und Buchstaben zu erkennen, angeordnet zu seltsamen Symbolgruppen und Nonsens-Worten. Die einzige Zeichenfolge, die einen Sinn ergab, fand er im Schlafzimmer, über dem zerwühlten Bett an der Decke. Dort bildeten rote und blaue Buchstaben das Wort »Nikolaus«.
    »Bis dahin sind es noch drei Monate«, sagte der junge Beamte, der Torensen begleitet hatte.
    »Ich glaube kaum, dass Simon Krystek den Nikolaus im Sinn hatte.«
    »Sie gehen davon aus, dass er dies angestellt hat?«, fragte der junge Mann und deutete auf die roten und blauen Schmierereien.
    »Ja. Und ich fürchte, es ist doch einer von jenen Fällen.« Torensen bemerkte den fragenden Blick des Beamten, ging aber nicht darauf ein. »Haben Sie meinen Assistenten verständigt?«, wandte er sich an die

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