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Äon - Roman

Titel: Äon - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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»Ausgerechnet mit ihm musstest du in die Kiste steigen! Ich hab den Mistkerl für einen guten Freund gehalten.«
    »Er war ein guter Freund, von uns beiden.« Anna sprach
noch immer erstaunlich sanft. »Er hat versucht, mir zu erklären, warum du …«
    »Warum ich was?«, fragte Sebastian scharf und füllte sein Glas.
    »Das ist dein viertes Glas, Bastian.«
    »Und wenn schon! Was hat dir der verdammte Schleimer zu erklären versucht?«
    »Deine Seitensprünge. Hast du die vergessen? Pia, Erica und Lucia, um nur diese drei zu nennen …«
    Bei diesen Worten schwang Bitterkeit in Annas Stimme mit, aber Sebastian wollte sie nicht hören. »Wir haben darüber geredet, mehrmals«, sagte er laut. »Ich habe dir versichert, dass nichts dahintersteckte. Schwache Momente …«
    »Und was ist mit mir?«, fragte Anna sanft. »Gestehst du mir keinen schwachen Moment zu? Als Massimo kam und deine Situation erklärte, der Stress mit den hiesigen Zeitungen und Verlagen … Es ging mir nicht gut, Bastian. Ich brauchte … eine Schulter, an der ich mich ausweinen konnte, und du warst nicht da.«
    »Oh, klar, es ist meine Schuld, dass du ihn rangelassen hast. Es ist alles meine Schuld.« Ein Rest von Vernunft in Sebastian flüsterte ihm zu, dass er besser die Klappe halten sollte, aber er hörte nicht darauf. »Zum Teufel mit Wolfgang. Zur Hölle mit ihm! Ich wusste, dass es eine Schwachsinnsidee war, hierherzukommen.« Er leerte das Glas und stand auf.
    »Wolfgang? Meinst du Wolfgang Kessler?« Anna sah zu ihm auf. »Was hat er damit zu tun?«
    »Was er damit zu tun hat? Wenn der Blödmann mir nicht praktisch die Pistole auf die Brust gesetzt hätte, wäre ich überhaupt nicht hier! Ich …«

    Ihm wurde plötzlich schwindlig. Zuerst dachte Sebastian, dass es am Wein lag, aber ein paar Gläser Rotwein nach einem großen Teller Spaghetti … Er war an mehr gewöhnt.
    Die Kopfschmerzen wurden so heftig, dass er eine Grimasse schnitt. Vor seinen Augen drehte sich alles, und Dunkelheit wogte heran.
    »Bastian!«, erklang Annas besorgte Stimme, aber sie kam aus weiter Ferne.
    Sebastian sank zu Boden und verlor das Bewusstsein.
     
    Als er wieder zu sich kam, sah er die weiße, fleckige Decke eines fremden Zimmers über sich. Er lag auf einem hohen Bett, und in seiner rechten Armbeuge steckte der dünne Schlauch einer Infusion. Er blinzelte mehrmals, und Annas Gesicht erschien über ihm.
    »Was ist los?«, fragte er. »Was ist passiert?«
    »Ich habe dich in die Klinik gebracht«, sagte Anna.
    Sebastian hörte die Sorge in ihrer Stimme. »Ich bin zusammengebrochen …« Er hob den Kopf und stellte erstaunt fest, wie schwach er sich fühlte. »Anna … Was ist los?«
    »Du musst so schnell wie möglich operiert werden, Bastian. Du hast einen Hirntumor.«

12
    Hamburg
    W olfgang Amadeus Kessler, in der Schule »Mozart« genannt, lief nicht nur, weil ihm Gesundheit und Fitness am Herzen lagen. Für ihn war das tägliche Lauftraining auch und vor allem eine Meditationspause. Die körperliche Anstrengung befreite den Geist, bot ihm Gelegenheit, aus einer gewissen Distanz über verschiedene Dinge nachzudenken, und meistens betrafen sie die Arbeit. Zack! war seine Kreatur: ein wöchentlich erscheinendes Magazin, das kein Blatt vor den Mund nahm, Gewalt in ihren abscheulichen, blutigen Details zeigte, die Kriminalität deutscher Großstädte und die Verstrickungen von Politik und organisiertem Verbrechen beim Namen nannte. Was andere als »Gossenjournalismus« bezeichneten, präsentierte Kessler als Stimme unverblümter Wahrheit. Auf jeder Seite von Zack! sprang den Lesern die harte Realität des einundzwanzigsten Jahrhunderts ins Gesicht. Mit Leib und Seele hatte sich Kessler beim Verlag für dieses Projekt eingesetzt, und das gleiche Engagement steckte er in seine Arbeit als Chefredakteur.
    Auch an diesem Tag lief Kessler wie so oft von der Zack! -Redaktion in Uhlenhorst los. Der Weg führte ihn am östlichen Ufer der Außenalster entlang nach Süden und dann auf der
westlichen Seite zurück nach Norden. Manchmal lief er bis zur Deelbögebrücke und von dort aus nach Osten in den Stadtpark, aber als er diesmal das Konsulatsviertel am Westufer der Außenalster durchquert hatte, klingelte das Handy in der Innentasche seiner leichten Windjacke. Nicht weit vom ägyptischen Konsulat entfernt blieb er stehen und holte das kleine Telefon hervor, erstaunt darüber, dass er vergessen hatte, es auszuschalten. Das Display zeigte keine Nummer

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