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Äon - Roman

Titel: Äon - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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BND vermutete man, dass es hier in Hamburg eine Spur gab.
    »Und ich habe Sebastian nach Italien geschickt«, murmelte er und dachte an die Freundschaft zwischen ihm und dem Kommissar.
    Erneut öffnete sich die Tür, und Susanne sah herein. »Die Lizenzen für Frankreich und England«, sagte sie. »Erinnerst du dich?«
    »Ja, ja,«, murmelte Kessler. »Ich weiß.« Er winkte seine Sekretärin herein und bedeutete ihr, die Tür zu schließen. Mit einem Tastendruck rief er den passwortgeschützten Bildschirmschoner auf, lehnte sich zurück und presste die Fingerspitzen aneinander. »Wenn du an meiner Stelle wärst, Susi …«
    Sie wölbte die Brauen, lächelte und wartete.
    »Angenommen, du hättest eine Riesenstory, ein wirklich dickes Ding, das dich ins Zentrum der nationalen Aufmerksamkeit bringen könnte, wobei allerdings die Gefahr besteht, dass du dir dabei ganz gehörig die Finger verbrennst … Würdest du die Gelegenheit nutzen?«
    Susanne wurde plötzlich ernst und bewies ihre Intelligenz, indem sie fragte: »Könnte man sich dabei nur die Finger verbrennen oder mehr?«
    »Mehr«, sagte Kessler. »Viel mehr.«
    Die junge Frau überlegte, ohne den Blick vom Chefredakteur abzuwenden. »Wer nicht wagt, der nicht gewinnt.«
    »Da hast du recht«, sagte Kessler langsam. »Ja, das stimmt.« Er blickte einige Sekunden ins Leere und traf dann seine Entscheidung. »Ich brauche noch einmal fünf Minuten, Susi. Für
einige Telefonate. Und bereite eine Zahlung aus dem Sonderfonds vor. Fünftausend Euro.«
    »Krokus?«
    »Ja.«
    Susanne verließ das Büro, und Kessler griff nach dem Telefon.

13
    Hamburg
    S eit sechs Stunden war Simon mehr als nur er selbst, und seit sechs Stunden jagte er.
    Nach der Veränderung dachte und fühlte er in neuen Bahnen. Er entsann sich an alle Ereignisse des früheren Lebens, auch an die damit in Verbindung stehenden Emotionen, aber diese Erinnerungen schienen aus einem Film zu stammen, den er vor einigen Tagen gesehen hatte. Die neuen Bilder waren viel älter und boten doch mehr Kontrast und intensivere Farben. Sie kündeten von einem anderen Leben, das er jetzt endlich fortsetzen konnte.
    Simon bewegte sich so in dieser Stadt, als wäre ihm alles vertraut, und in gewisser Weise war es das auch. Wenn er sich orientieren oder eine Entscheidung treffen musste, griff er einfach auf die Erinnerungen des früheren Simon zurück. Quer durch die Stadt - sie hieß Hamburg - folgte er der Witterung, und während der letzten beiden Stunden war die Spur immer deutlicher geworden. Als er jetzt die S-Bahn betrat, wusste er, dass ihn nur noch wenige Minuten von seinem Ziel und einer weiteren Veränderung trennten. Langsam ging er an den Sitzen vorbei, musterte die anderen Fahrgäste kurz und fühlte ihre Blicke. Niemand von ihnen sah ihn länger als
zwei oder drei Sekunden an, aber das spielte ohnehin keine Rolle.
    Sein Ziel saß ganz hinten in einer Ecke, als wollte es sich dort verstecken: ein Mann in mittleren Jahren, schlank, gut gekleidet. Doch er wirkte wie krank. Sein Gesicht war bleich und hohlwangig, der ins Leere gehende Blick getrübt. Bei ihm hatte ebenfalls die Veränderung begonnen, aber sie blieb unvollständig. Mehrere Personen saßen in der Nähe: ein junges Paar, ganz auf sich selbst konzentriert, ein Zeitung lesender älterer Mann und eine dickliche Frau, die mit neutralem Gesichtsausdruck aus dem Fenster schaute; als Simon vor seinem Ziel stehen blieb, drehte sie den Kopf und sah neugierig zu ihm auf, aber auch das spielte keine Rolle. Die anderen Personen waren lebende Kulisse, mehr nicht.
    Das Ziel bemerkte und erkannte ihn. Zögernd stand der Mann auf, und durchs Seitenfenster fallender Sonnenschein ließ seine Augen glänzen - Erleichterung und Furcht rangen darin miteinander. Einige Sekunden starrten sich die beiden ungleichen Männer stumm an. Dann holte Simon sein Messer hervor und stieß es seinem Gegenüber in den Hals. Blut spritzte, und ein röchelnder Laut kam von den Lippen des Sterbenden.
    Die dickliche Frau schrie, war überraschend flink auf den Beinen und lief mit rudernden Armen nach vorn. Das junge Paar schien erst vor Entsetzen wie gelähmt zu sein, stob dann ebenfalls nach vorn, gefolgt von dem älteren Mann, der rückwärts wankte und offenbar befürchtete, dass ihm Simon das Messer in den Rücken rammte, wenn er sich umdrehte. Weitere Schreie erklangen, als die übrigen Fahrgäste begriffen, was geschah, und alle drängten nach vorn.

    Simon beachtete sie gar

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