Äon - Roman
anderen Polizisten.
»Ja«, antwortete einer von ihnen. »Er meinte, er sei einer wichtigen Sache auf der Spur. Er will sich später melden.«
Torensen sah auf die Uhr. Es war erst kurz nach zwölf, aber er hatte schon genug für diesen Tag.
Während sich die Ermittlungsbeamten an die Arbeit machten, Schubladen öffneten und versuchten, dem PC in der einen Ecke des Wohnzimmers Geheimnisse zu entreißen, ging der Kommissar durch die Wohnung und sammelte Eindrücke. Abgesehen von den wirren Zeichen, die überall aufgesprüht waren, fiel ihm nichts auf. Im Flur bildeten Fotos kleine Collagen an den Wänden, und Torensen vermutete, dass eine der dargestellten Personen der Mörder aus der U-Bahn war. Er winkte den jungen Beamten in Zivil heran. »Wer ist Simon Krystek?«
Der junge Mann trat näher und deutete auf eine Gestalt: schlank, etwa fünfunddreißig, das Haar schwarz und kurz, das Gesicht schmal, mit auffallend tief in den Höhlen liegenden Augen und einer etwas zu großen Nase. Ein Bild zeigte ihn vor dem Kolosseum in Rom, ein anderes vor dem Palazzo Reale in Neapel. Auf einer Ablage unter diesen Fotos bemerkte Torensen einen Reiseführer für Süditalien.
»Na schön«, sagte er und kehrte mit dem jungen Beamten ins Wohnzimmer zurück. »Ich möchte wissen, wer Simon Krystek ist, was für ein Leben er geführt hat und wen er zu seinen Freunden zählt. Stellen Sie mir seinen Lebenslauf zusammen und geben Sie mir Auskunft über seine Vermögensverhältnisse. Ich möchte wissen, in welcher Verbindung er zum Opfer in der S-Bahn stand. Und so weiter, und so fort. Der ganze Kram.«
Der junge Mann nickte voller Eifer. »Bis wann brauchen Sie die Informationen?«
Torensen lächelte schief. »Gestern ist früh genug.«
»Du hattest recht, Alex«, sagte Lothar Mehrendorf einige Stunden später und trat durch die »Tür« - die Lücke zwischen den beiden Raumteilern bot seiner Leibesfülle gerade genug Platz. »Es gibt tatsächlich einen signifikanten Unterschied in der Häufigkeitsverteilung.«
Wieder neigte sich ein Tag dem Ende entgegen, angefüllt mit vielen unangenehmen Dingen, darunter ein weiterer mysteriöser Mord, eine offizielle Verwarnung durch den Polizeidirektor Lechleitner und das direkte Verbot, irgendwelche Fotos von einem Tatort machen zu lassen, an dem noch ermittelt wurde. Torensen verdrängte den Gedanken daran und nahm die Unterlagen entgegen, die sein Assistent ihm reichte: Fast fünfzig Seiten listeten Fälle mit starken selbstzerstörerischen Elementen im Verlauf der letzten sechs Monate auf, und die ansteigende Kurve einer graphischen Darstellung ließ nur eine Interpretation zu.
»Es steckt also mehr dahinter«, sagte Torensen. »Es sind keine Einzelfälle.«
»Die Statistik weist eindeutig darauf hin, Alex. Ein Zufall ist praktisch ausgeschlossen.«
»Heute Mittag hatten wir einen weiteren Fall«, sagte Torensen.
»Ja, ich weiß. Hat sich schon was ergeben?«
»Ich warte noch auf den Bericht. In der Wohnung war alles mit roter und blauer Farbe beschmiert. Offenbar hat der Bursche das angerichtet, bevor er aufbrach, um den Mann in der S-Bahn zu erstechen. An einigen Stellen war die Farbe noch feucht. Es waren größtenteils wirre Zeichen und Symbole, mit einer Ausnahme: An der Schlafzimmerdecke stand › Nikolaus ‹ .«
»Nikolaus«, wiederholte Mehrendorf nachdenklich. »Sagt mir nichts. Abgesehen von …«
»Von Knecht Rupprecht und so. Ich weiß.« Torensen winkte ab. Etwas im Gesicht seines Assistenten weckte seine Aufmerksamkeit. »Lass sie platzen.«
»Was?«
»Lass die Bombe platzen, Lothar. Ich sehe, dass die Lunte bereits brennt. Du hast noch mehr herausgefunden, nicht wahr? Ich bin ganz Ohr.« Torensen lehnte sich zurück und hielt den Blick auf seinen Assistenten gerichtet.
Mehrendorf lächelte zufrieden. »Ich habe nach Verbindungen gesucht und mir überlegt, was all die Menschen gemeinsam haben könnten, Personen, die nicht nur in verschiedenen Ländern leben, sondern auch noch auf verschiedenen Kontinenten. Was käme infrage? Zunächst einmal fällt auf, dass alle Fälle nur die westliche Welt betreffen.« Er deutete auf die Unterlagen, die Torensen vor sich auf den Schreibtisch gelegt hatte. »Das geht aus den Diagrammen hinter den Listen hervor.«
»Anschläge?«, fragte Torensen sofort, nahm das Papierbündel und blätterte erneut darin.
»Das wäre eine Hypothese. Amokläufer, gesteuert von jemandem, der der westlichen Welt schaden möchte.«
»Zum
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