Äon - Roman
einige sehr seltsame Fälle von Mord und Selbstmord ermitteln. Wir sind ebenfalls an diesen Dingen interessiert, und da Sebastian derzeit anderweitig beschäftigt ist … Vielleicht könnten Sie uns die eine oder andere Information geben. Natürlich nur, wenn das nicht gegen Ihre Vorschriften verstößt.«
»Ich fürchte, da muss ich Sie enttäuschen«, erwiderte Torensen.
»Wir könnten uns gegenseitig helfen. Ich habe eigene Informationsquellen, die Ihnen vielleicht nicht zur Verfügung stehen. Wir könnten uns … gegenseitig ergänzen?«
Torensen drehte den Sessel und rollte ihn näher zum Schreibtisch. Er griff nach Kugelschreiber und Papier. »Was wissen Sie?«
»Das ist eine wirklich große Sache, Herr Kommissar. So groß, dass Sie bald Gesellschaft bekommen werden.«
»Wie meinen Sie das?«
»Die internationalen Geheimdienste interessieren sich für diese Angelegenheit, allen voran BND, CIA und Mossad. Man befürchtet eine Gefahr für die westliche Welt. Sie werden weiter ermitteln, aber bald unter der Aufsicht eines Beamten vom Bundesnachrichtendienst.«
Torensen wollte »BND« schreiben, entschied sich aber dagegen und legte den Kugelschreiber beiseite. »Woher wissen Sie das, Herr Kessler?«
»Wie gesagt, ich habe meine eigenen Quellen. Aber sie sind zuverlässig, das garantiere ich Ihnen.«
Ein Mann vom Bundesnachrichtendienst, der ihm über die Schulter schaute … Torensen wusste nicht recht, ob er sich ärgern oder geschmeichelt fühlen sollte. Wenn es stimmte, glaubte man ziemlich weit oben, dass es um eine Sache von nationaler Bedeutung ging.
»Sind Sie noch da?«
»Ja«, sagte Torensen. »Ich … danke Ihnen für diesen Hinweis.«
»Vielleicht kann ich Ihnen demnächst weitere Hinweise geben.«
Torensen zögerte kurz. »Kalabrien«, sagte er dann.
»Was?«
»Wir haben ein gemeinsames Element bei diesen rätselhaften Fällen gefunden. Die betreffenden Personen sind im vergangenen Jahr mindestens einmal in Italien gewesen. In Kalabrien.«
Kurze Stille herrschte am anderen Ende. »Danke, Herr Kommissar. Auf eine gute Zusammenarbeit.«
»Ja.« Torensen legte auf und fragte sich, wann ihn der Chef anrufen würde, um einen neuen Mitarbeiter anzukündigen.
14
Reggio Calabria
S ebastian sah auf die Uhr an der einen Wand. Fast halb acht, abends. Eine Nacht und einen Tag hatte er in diesem Krankenhaus verbracht, und das reichte ihm.
»Anna …« Sebastian schlug die Decke zurück und schwang die Beine über den Rand des hohen Krankenbetts. »Ich hab’ genug. Ich entlasse mich selbst.«
Dottoressa Anna Maria Ranzani stand am Fußende des Bettes, in einem weißen Kittel mit Namensschild. Sie richtete einen kurzen Blick auf ihren Begleiter, einen älteren Arzt mit grauem Bart, nur wenig größer als sie. Sebastian kannte ihn seit einigen Stunden als Dottore Gianfranco Provenzano, Neu rochirurg. »Wenn Sie gestatten …«
»Natürlich.« Der Mann nickte Sebastian kurz zu und ging.
»Wo sind meine Sachen?«
»Bastian …« Anna trat etwas näher. Anteilnahme zeigte sich in ihrem Gesicht. »Vielleicht hast du noch nicht ganz den Ernst der Situation begriffen …«
»Ich habe einen Gehirntumor. Ich muss sterben. Was gibt es da groß zu begreifen? Wo sind meine Sachen?«
Anna setzte sich neben ihn und legte ihm die Hand auf den Arm. »Du musst sofort operiert werden, Bastian.«
Sebastian verzog das Gesicht. »Ich erinnere mich da an einen Streit, den wir hatten. Ich weiß nicht mehr, worum es ging, aber du hast gesagt, du würdest mir gern einmal in den Kopf schauen. Du glaubst wohl, jetzt bekämst du Gelegenheit dazu.«
Anna zog die Hand zurück. »Sebastian, dies ist eine ernste Angelegenheit.«
»Verdammt, und ob sie ernst ist!« Er stand ruckartig auf, nur mit einem am Rücken offenen Nachthemd bekleidet. »Als wenn ich das nicht wüsste …«, fügte er leiser hinzu. »Ihr habt mich den ganzen Tag untersucht, mich an irgendwelche Geräte angeschlossen und mir Elektroden an den Kopf geklebt. Und dann hast du mir gesagt, dass ich nur noch wenige Wochen zu leben habe.«
Er stand da, blickte sich verstört um, als müsse er sich in einer fremden Welt neu orientieren. Wenige Worte hatten sein Leben komplett auf den Kopf gestellt.
»Ich … muss weg von hier«, brachte er hervor. »Ich brauche Zeit zum Nachdenken. Ich … Bitte, Anna, wo sind meine Sachen?«
Sie stand auf, ging zum Schrank und öffnete ihn. Wenige Minuten später trug Sebastian wieder seine Jeans und das
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