Aeon
Alternativen. Entweder war er ein Schlauch aus gebändigten Kräften, der durch irgendeinen Superraum-Kniff übers Ende des Asteroiden hinausreichte, oder nicht. Wenn nicht, dann bestand der Schlauch selber vielleicht aus einem Superraum-Hokuspokus. (Sie erwog und verwarf als – zunächst noch – philosophisch unnütz den Gedanken, dass der Korridor eine Illusion sei.)
Superraum-Hokuspokus war das weitaus kompliziertere Konzept. Falls die Steinler die Maschinerie in der sechsten Kammer zur Verzerrung der Raum-Zeit-Relation verwendet hatten, so wäre das nicht ohne Konsequenzen geblieben. Sobald Patricia ihr Multimeter in Händen hätte, könnte sie – falls es hielte, was sie verlangte – die Parameter festlegen. Gekrümmter Raum in der Größenordnung des Korridors würde sicherlich Abweichungen im Pi-Wert hervorrufen, denn der Kreisdurchmesser in jedem gravierend verzerrten Vielfältigen würde im Verhältnis zu seinem Umfang variieren. Andere Konstanten würden in Abhängigkeit zu Verzerrungen in höherer Geometrie variieren.
Nach einer Weile gab sie es auf, den Zustand zu erzwingen. Die Fakten reichten nicht aus, um eine solche Anstrengung zu rechtfertigen.
Im Moment konnte sie nichts anderes tun, als sich bequem zurückzulehnen und zu lesen. Sie steckte einen anderen Memoblock in die Tafel.
»Wie lange hast du gebraucht, um dich ans Leben ohne Nacht zu gewöhnen?«, fragte Patricia. Farley trommelte mit den Fingern ungeduldig gegen die Wand des Torbogens, während sie auf den Aufzug zur Achse warteten. Sie standen fünfzig Meter östlich der Tunnelrampe auf einem glatt polierten Nickeleisenquadrat.
»Ich weiß nicht recht, ob ich mich überhaupt daran gewöhnt habe«, erwiderte Farley. »Ich lebe damit, aber ich vermisse den nächtlichen Sternenhimmel sehr.«
»Bei der vielen Technik möchte man meinen, die Steinler hätten irgendeine Möglichkeit zur zeitweisen Dunkelheit gefunden.«
»Das Abschalten der Plasmaröhre wäre eine gewaltige Energieverschwendung«, mutmaßte Farley. »Besonders in der siebten Kammer. Ich meine, wi e’s scheint, geht sie endlos weiter – und wie willst du so was abschalten?«
Patricia zog ihre Tafel hervor und tippte. Plasmaröhre Kam mer 7: Energieversorgung? Wartung? Wie in den anderen Kammern?
Die Aufzugtür ging auf, und sie betraten die große, kreisrunde Kabine. Nachdem Farley einen Knopf gedrückt hatte, glitt die Tür wieder zu. Sie hielten sich an Griffen in der Wand fest. Zunächst erhöhte der beschleunigende Aufzug ihr Gesamtgewicht, aber dieser Effekt ließ nach, je näher die Kabine der Achse kam. Nachdem der Aufzug ungefähr ein Drittel der Höhe überwunden hatte, erreichte er eine konstante Geschwindigkeit. Inzwischen hatte ihr Gewicht beachtlich abgenommen. Bald verlangsamte der Aufzug seine Fahrt und glitt übergangslos in die Beinahe-Schwerelosigkeit. Die Tür ging auf, und ein Wächter in Schwarz-Grün begrüßte sie.
Die Achsabteile in der siebten Kammer waren unter Druck gesetzt und beheizt, ansonsten unverändert, wie die Steinler sie vor Jahrhunderten zurückgelassen hatten. Neu verlegte Stromkabel zogen sich kreuz und quer über die Gewölbe des Landebereichs.
»Zum Singularitätsmonitor«, sagte Farley. Der Soldat deutete auf eine Draisine. Sie zogen sich an den Handseilen entlang in den Wagen, wo sie Platz nahmen und sich angurteten.
»Ich habe das Gefühl, du willst mir schon wieder eine Sensation vorführen«, sagte Patricia vorwurfsvoll. »Dabei habe ich die anderen noch gar nicht verdaut.«
»Sekundärphänomen«, sagte Farley geheimnisvoll. »Folge der anderen Sensation, wen n’s nach der Theorie von Rimskaya und Takahashi geht. Aber an sich bist du hier Experte für Raum und Zeit.«
»Da bin ich mir nicht sicher«, sagte Patricia nachdenklich.
»Wenn der Korridor eine Matrix gewölbter Geodäsie ist, ein gekrümmter Raum, was wäre dann im Zentrum zu erwarten?«
»Das habe ich mir gestern Nachmittag schon überlegt.« Das Fahrzeug erreichte das Ende des Landebereichs. »Es wird im Zentrum nicht klappen. Es wird eine Stelle geben, wo alle Regeln versagen.«
»Genau.«
»Eine Singularität?«
»Dahin gehn wir«, stellte Farley fest.
Der Posten bewegte die Draisine vor eine Luftschleuse, die in die Felswand eingebaut war. Farley hielt sich an einem Haltegriff fest und half Patricia aus dem Gurt. Der Posten salutierte und sagte, er werde auf sie warten.
Sie betraten die Luftschleuse. Farley machte Licht an und zog aus einem
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