Aeon
reden. Meine Regierung weiß , dass in den Bibliotheken solche Informationen enthalten sind. Wir gehen sogar davon aus, dass Ihr Präsident bereits Berichte über diesen zukünftigen Krieg in Händen hält.«
Er sah sich in der Runde um. Lanier erwiderte seinen Blick unerschrocken und sah ein Lächeln über seine Lippen huschen. »Ja«, sagte Feodorowski. »Wir wissen natürlich, dass Menschen den Stein gebaut haben beziehungsweise bauen werden. Wir wissen, dass er konstruiert werden wird aus dem Asteroiden Juno. Das wissen wir, weil der Asteroid Juno und der Stein sich gleichen wie ein Ei dem anderen. Unser Raumschiff im Asteroidengürtel hat dies bestätigt.«
»Mr. Feodorowski, wir haben es mit einem höchst ungewöhnlichen Problem zu tun«, sagte Hoffman. »Wir sind sicher, dass der Stein nicht aus unserm Universum kommt, sondern aus einem Alternativuniversum. Wir sind unbedingt der Meinung, dass die Informationen in den Bibliotheken falsch ausgelegt werden könnten. Vielleicht prognostizieren sie Zustände, die gar nicht für unsre Welt zutreffen. Die wissenschaftlichen Daten könnten nützlich sein, und es sind diese, die wir genauestens studieren, aber eine willkürliche Freigabe von Informationen könnte fatale Folgen haben.«
»Trotzdem gibt es eine solche Geschichte.«
Cronberry bemerkte: »Wenn ja, so wissen wir nichts davon.«
Lanier fühlte sich in die Enge getrieben. Er hasste Lügen, auch notwendige Lügen. Er hasste es, sich an Lügen beteiligen zu müssen. Dennoch wollte er wie Cronberry und Hague verhindern, dass die Russen Informationen aus den Bibliotheken in die Hände bekämen. Also log er.
Der Russe, der neben Feodorowski saß und Juri Kerzhinski hieß, beugte sich zu ihm und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Feodorowski nickte. »Mr. Lanier«, fragte er, »leugnen Sie die Existenz solcher Informationen?«
»Ich weiß davon nichts«, sagte Lanier routinemäßig.
»Aber Sie geben zu, wenn solche Informationen existieren und man sie kennt, wenn man im Voraus gewisse Daten kennt und Zeitpunkte, gewisse Situationen und Konsequenzen, so wäre das von großem strategischem Vorteil, würde aber auch eine große Belastung für einen selbst darstellen.«
»Schon möglich«, meinte Lanier darauf.
Hague unterbrach. »Bitte lassen Sie Mr. Lanier aus dem Spiel.«
»Verzeihung«, sagte Feodorowski. »Bitte um Verzeihung. Aber unsere Besorgnis ist schwerwiegender als individuelle Rücksichtnahme.«
Mit einem Mal erhob sich Kerzhinski. »Gentlemen. Es ist Ihnen klar, dass zwischen unsern Ländern neuerdings sehr ernste Spannungen bestehen, wie nun wohl schon seit den Neunzigerjahren nicht mehr. Wir sind der Meinung, dass jede Problematik bezüglich des Steins den Weltfrieden gefährdet. Der Stein verstärkt die Spannungen, insbesondere was die strittige Bibliotheksfrage betrifft. Es ist einleuchtend, dass sich diese Probleme auf dieser Gesprächsebene nicht ausräumen lassen. Deshalb sehe ich keinen Sinn mehr darin, diese Unterredung fortzusetzen.«
»Mr. Kerzhinski«, sagte Hoffman, »ich habe hier ein Dokument, das Ihr Parteisekretär sehen sollte. Es definiert die Position aller Wissenschaftler an Bord des Steins in Hinblick auf die Kooperation. Und ich glaube, dass es die Gerüchte über Störmanöver klarstellt.«
Kerzhinski pochte kopfschüttelnd mit dem Zeigefinger auf den Tisch. »Solche Stellungnahmen interessieren uns nicht mehr. Um Störmanöver geht’s uns nicht. Es geht uns um die Bibliotheken. Darüber werden bereits auf offizieller Ebene Gespräche geführt, denen hoffentlich mehr Erfolg beschieden sein wird.« Die vier Russen erhoben sich, und Hague begleitete sie zur Tür.
An der Tür wurden sie von einem Geheimdienstagenten in Empfang genommen. Hague schloss die Tür und kam zu den anderen zurück. »Das«, sagte er, »wär’s dann wohl.«
»Zum Kotzen«, sagte Lanier mit kehliger Stimme halblaut.
»Oh?«, meinte Cronberry, die dabei halb aufstand. »Und was sollten wir Ihrer Meinung nach tun, Mr. Lanier? Sie sind verantwortlich dafür, wissen Sie das? Sie haben die Sicherheits auflagen nicht im Griff. Deshalb stecken wir jetzt in der Klemme. Eine gottverdammte diplomatische Katastrophe ist das! Warum haben Sie die Bibliotheken überhaupt geöffnet? Haben Sie nicht Lunte gerochen und von vornherein geahnt, was für Ärger uns das einbrocken würde? Ich hätt’s, verdammt noch mal, gerochen. Muss zum Himmel stinken, der Laden!«
»Schluss damit, Alice!«, sagte Hoffman leise.
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