Ärger mit dem Borstenvieh
allergrößten Wert legte und in keiner Weise geneigt war, irgendwelche Erklärungen zu akzeptieren.
Für John war diese Zeit eine trostlose Einführung in sein Leben als ganztägig arbeitender Bauer; Ende Juni hatte er seine Schulausbildung beendet und arbeitete nun mit mir auf Egerton. Alle beide schlenderten wir betrübt umher, füllten die Zeit mit Routinearbeiten aus und warteten unterdessen auf besseres Wetter, so daß wir endlich anfangen konnten.
Mit der volkstümlichen Vorstellung der Heuernte hatte die Wirklichkeit nichts gemein: fröhliches Bauernvolk, das große Mengen Apfelmost trank, ausgelassen um hochrädrige Erntewagen herumtollte und gelegentlich eine Forke voll Heu auf den Wagen warf.
Wir setzten die Gerätschaften dafür instand. Die beiden austauschbaren Messerschneiden mit den vielen Zacken, die in der Mähmaschine Verwendung fanden, waren so scharf wie Rasierklingen und warteten auf ihren Einsatz. Die Maschine selbst wurde geschmiert und geölt. Dem anderen unentbehrlichen Gerät — dem Heuwender — mußte eine ähnliche Behandlung zuteil werden.
Unsere Freunde waren in der gleichen mißlichen Lage. Bei jedem Treffen drehte sich das Gespräch um dasselbe Thema: das Wetter. Es wurde verflucht und zur Hölle gewünscht, als wäre es eine lebende, bösartige Kreatur. Old Jonathon schob den Leuten bei der BBC-Wettervorhersage die Schuld in die Schuhe. »Die da oben aus dem Fernsehreich stolzieren bloß in ihren Sonntagsanzügen herum und halten sich für was Besonderes«, verkündete er voller Verachtung. »Warum tun die nichts? Es nützt doch überhaupt nichts, wenn die uns erzählen, wie’s morgen wird. Wir wollen wissen, wie’s in den nächsten vierzehn Tagen aussieht.«
Vielleicht ungerecht gegenüber den Meteorologen, aber seine Worte faßten genau unser Problem zusammen. Für die Heuernte braucht man eine längere Strecke trockenen, sonnigen Wetters und nicht nur einige freundliche Tage. Heuernte ist immer wie ein Glücksspiel mit dem Wetter; und der einzige Vorteil, den der Bauer hat, ist, daß er das Spiel beginnen kann, indem er mit dem Schneiden beginnt.
Das qualitativ beste Heu bekommt man aus jungem Gras vor seiner Blüte, was in dieser Gegend das Schneiden vor Ende Juni bedeutet. Sofort nach dem Schneiden muß das Gras getrocknet und zu Heu gemacht werden, vorzugsweise ohne daß es darauf regnet, wenn man den maximalen Nahrungswert erhalten will.
»Auf die Grasschwaden kann ruhig etwas Regen tropfen, ohne daß das dem Heu allzu viel schadet«, sagte Griff, der gutmütige Wirt aus der >Schmiede<. »Natürlich kann man es nicht ewig so liegen lassen, weil sonst das Gras dazwischen weiterwächst — aber ‘ne Weile hält es schon so aus. Aber sobald man es einmal gewendet hat, und der Regen durchweicht es, dann verfault es buchstäblich vor deinen Augen.«
Wir wollten gerade damit beginnen, Noahs Arche nachzubauen, als endlich die Wetterwende eintraf. Die Sonne war nachsichtig mit uns und schien mit ihrer ganzen Kraft. Alles und alle waren wie umgewandelt. Am dritten Tag machte die BBC endlich Schluß mit ihren weinerlichen Voraussagen und kündigte eine Trockenperiode an.
»Wissen wir doch schon!« meinte Old Jonathon.
Das war genau nach unserem Wunsch. Die Hektik konnte beginnen. John fing mit dem Schneiden auf der Fünf-Hektar-Wiese an; ein Drittel davon hatten wir abgetrennt, weil das Gras schneller in die Höhe schoß, als die Kühe es abgrasen konnten.
Der Lärm der Traktoren und das Gerattere der Mähmaschinen war überall in der weitläufigen Landschaft zu vernehmen. Aber alle waren noch ängstlich: Man mißtraute dem Wetter, beobachtete ständig mit prüfendem Blick den Himmel und versuchte, sich selbst davon zu überzeugen, daß man die richtige Entscheidung getroffen hatte.
Trotz einiger kurzer Schauer schnitten wir während der nächsten Tage das Gras auf unseren sämtlichen Wiesen. Die Sonne flirtete mit uns, und das Heu trocknete nur langsam. Meistens war der Himel morgens grau und bedeckt; und obgleich es später am Tag aufklarte, schien die Sonne nicht sehr stark. Wir arbeiteten mit gemischten Gefühlen und hofften, daß wir das Richtige getan hatten; allerdings fiel uns auch keine andere Möglichkeit ein. Als wir zum ersten Mal das Heu auf der Fünf-Hektar-Wiese wendeten, war das fast eine Handlung auf Treu und Glauben.
Mehrmals kam es zu heftigen Regengüssen, so daß wir immer besorgter wurden; aber anschließend kämpfte sich stets die Sonne wieder
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