Ärger mit dem Borstenvieh
der Kundenliste von Jones, und er rief an, um die Bestätigung zu erhalten, daß wir auf ihn warteten. »Dann plan’ ich Sie also mit ein und sag’ Ihnen am Abend vorher Bescheid. Sollte sich das Wetter daneben benehmen, sollten Sie die Schafe besser reinholen und trocken halten.«
Genauso kam es. Das unbeständige Wetter hatte nicht nur die Heuernte so kompliziert gemacht, jetzt passierte das gleiche bei der Schafschur: nasse Schafe kann man nicht scheren; und so mußten die jungen Männer mehrere Tage mürrischer Ungeduld über sich ergehen lassen, während sie auf die Trockenperiode warteten.
Doch diese Situation wurde unser Vorteil, denn normalerweise wären wir erst nach den großen Herden an der Reihe gewesen. So aber rief eines Morgens Jones von einem großen Bergbauernhof aus an und fragte, ob wir unsere Schafe für den nächsten Tag parat haben könnten. Noch denselben Nachmittag trieben wir die Tiere in den großen überdachten Kuhhof, wo die Kühe die Wintermonate über gehalten wurden.
Der Boden dieses Hofs war holprig wie ein gefrorenes Meer aus Stroh und Mist, allerdings ausreichend trocken, da die Kühe bereits seit zwei Monaten draußen weideten. Am nächsten Morgen waren die Bodenwellen durch die vielen kleinen Hufe der Schafsherde geglättet worden. Ein sehr deutliches und eindrucksvolles Beispiel, um zu erkennen, wie wertvoll Schafe zum Feststampfen und Einebnen von landwirtschaftlichem Boden sind.
Nach dem Melken mußten wir uns sehr beeilen, aber als das alte, verbeulte Auto von Jones an unserem Wegtor auftauchte, war alles bereit. In einer Hälfte des Hofes hatten wir die Mutterschafe mit den Lämmern eingesperrt, und zwar mit Hilfe eines drei Meter langen Tores sowie röhrenförmigen Hürden.
Die andere Hälfte des Hofes hatten wir gefegt, geschrubbt und blitzblank geputzt, um sicherzustellen, daß kein einziges Strohhälmchen oder andere Fremdkörper die Wolle während der Verpackungszeit verdarb. Unsaubere Wolle bringt einen niedrigeren Gewinn. Der erste große >Bettbezug< hing bereit in einem improvisierten Rahmen und wartete auf die Vliese. Das Scheren selbst sollte auf einem hölzernden Podest stattfinden, den einer meiner Vorbesitzer auf Egerton hinterlassen hatte.
Jones brauchte nur seine elektrische Schurmaschine mit der Verlängerungsschnur zu verbinden, die oben von dem stählernen Dachgerüst des Hofes herunterhing, um sich frei rundherum bewegen zu können. Außerdem mußte er sich noch sackleinene Überschuhe anziehen, damit er einen festeren Stand hatte, wenn der Boden schmierig wurde, was unvermeidlich war. Dann konnte er sich das erste Schaf vornehmen.
Reizbar und nervös zeigten sich die Tiere. Aber da sie dicht gedrängt beieinander standen, konnte man das erste Schaf leicht packen — ein zierliches Waliser Halfbred — und es zum Schurplatz schleppen. Ängstlich wurde es dabei von seinem Lamm, das hinter ihm herblökte, durch die Torstäbe beobachtet.
Zum Scheren wurden die Schafe vorne hochgehoben und hinten auf das Hinterteil gesetzt. Immer wieder überraschte es mich zu beobachten, wie geschickt Einheimische wie Jones mit den Tieren umsprangen. Ein Schaf, das sich die ganze Strecke bis zum Podest gegen mich mit allen Kräften gesträubt hatte, lag jetzt ganz lässig auf dem Rücken gegen die Beine des Scherers gelehnt, als wäre es ein Kinderspielzeug, während sich der junge Mann mit gestreckten Beinen über es beugte und zur Sache ging. Als ich deswegen einige Bemerkungen machte, lachte Jones und meinte: »Ach, was! Wenn wir eine Woche lang Schafe geschoren haben, stinken wir so entsetzlich, daß die glauben, wir gehörten mit zur Herde.«
Wie fröhliches Geplauder klang die Schere. Die Bauchwolle wurde als erste getrennt geschoren, dann kam das Vlies dran, das wie ein überflüssiger Mantel in einem einzigen Stück ausgezogen wurde. Innerhalb weniger Minuten war das geschorene Tier wieder frei. Es sah ziemlich verlegen aus und wurde in die Herde zurückgeführt, während das nächste seinen Platz einnahm.
Entweder John oder ich packten die Vliese ein. Wir rollten sie zusammen, drehten den Schwanz so, daß man ihn wie ein Seil um das Bündel wickeln konnte, und zum Schluß stopften wir das Ende fest hinein. Allmählich begann sich der >Bettbezug< zu füllen.
Shirley brachte uns Kaffee. Sie blieb ein paar Minuten bei uns, um uns zuzusehen, und fegte sogar einmal mit dem Besen das Podest zum Scheren und Verpacken frei von unerwünschten Teilchen. Aber unser
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