Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ärger mit dem Borstenvieh

Ärger mit dem Borstenvieh

Titel: Ärger mit dem Borstenvieh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Holgate John
Vom Netzwerk:
sehen.
    Drei Wochen nach Beginn der Heuernte fuhren wir den letzten Ballen ein, warfen ihn auf seinen Platz und machten uns unverzüglich auf den Weg zur >Schmiede<, um bei ein paar Bier das Ereignis zu feiern. Ich fühlte eine ungeheure Erleichterung. Die Finanzierung Egertons hätte es nicht überlebt, wenn wir für den nächsten Winter hätten Heu kaufen müssen.
    Nicht alle Bauern waren solche Glückspilze wie wir. Für die meisten Kleinbauern ist die Heuernte eine sehr schwierige Zeit, es sei denn, sie sind mit starken Söhnen gesegnet, einer guten Frau und gutwilligen Freunden. Noch schlimmer wird die Lage, wenn das Wetter nicht mitspielt. Einige hatten zu lange mit dem Schneiden gewartet und waren dann in die Schlechtwetterperiode geraten. Man hörte viele Geschichten über schwarz werdendes Heu, das auf den Wiesen verfaulte. In solchem Fall konnten die Bauern nichts anderes tun, als zu warten, bis die ganze traurige Schweinerei getrocknet war, damit sie verbrannt werden konnte.
    »Hab’ selten so’ne schlechte Jahreszeit fürs Heu erlebt«, meinte ein grauhaariger alter Bursche in der >Schmiede<. »Wer von uns das Glück hatte, das Heu als Futter trocken reinzubringen, wird’s strecken müssen. Diejenigen, die Pech damit hatten, werden’s kaufen müssen — und teuer dafür bezahlen. Na, vielleicht wird’s nächstes Jahr besser. Bestimmt kann’s nicht viel schlimmer werden als jetzt.«

15

Und jetzt ist die Schafschur dran

    J ede Jahreszeit hat ihre eigenen Aufgaben. Aufgrund des wärmeren Wetters verfettete die Schafswolle schneller, was wiederum den Lebenszyklus der Schmeißfliegen beschleunigte; in hellen Scharen flogen sie um die Herde herum. Es wurde Zeit, die Mutterschafe zu scheren und sie von ihren dicken Winterfellen zu befreien, bevor sie diese im Dickicht zerreißen konnten, oder die Wolle von Maden durch Fliegen befallen wurde.
    Das zweite Mal war diese Aufgabe viel einfacher, denn wir wußten, was getan werden mußte. Die Landeszentrale zur Wollverarbeitung der Vliese führte uns bereits in ihren Büchern und hatte uns drei >Bettbezüge< geschickt — große, umfangreiche Säcke aus grobem Hanf, in welche die geschorenen Vliese gepackt wurden. Außerdem lagen dem Paket Etikettten sowie eine Postkarte bei, die abgeschickt werden mußte, wenn die Wolle abgeholt werden sollte.
    Doch noch wichtiger war, daß wir jetzt in dem routinierten Ablauf unter den Einheimischen mit eingeplant waren. Denn zu dieser Jahreszeit vervielfachten die jungen Leute ihren Lohn dadurch, daß sie sich zusätzlich als Schafscherer verdingten. Es herrschte Rivalität unter ihnen, und man hörte viel gegenseitige Fopperei, denn Schafschur ist ein anerkannt schwieriges Handwerk, und sie waren stolz auf ihr Können. Der ungekrönte König auf diesem Gebiet war ein kleiner dunkelhaariger Mann, den ich im letzten Jahr auf dem Hof eines Freundes bereits beobachten konnte. Er arbeitete wie eine Maschine: die elektrische Schere benutzte er, um das Vlies als ein Stück abzutrennen; dabei ging er in einer ganz bestimmten Reihenfolge von >Schnitten< und >Strichen< vor, die so angelegt waren, daß das ganze Tier mit einem Minimum an Armbewegungen geschoren wurde. Wenn die gesamte Herde kahl war, konnte man immer noch diejenigen unter den Schafen herausfinden, die von ihm geschoren worden waren, obgleich noch drei weitere Arbeiter mitgeholfen hatten.
    Allerdings berichtete man von ihm unter vorgehaltener Hand, daß er >unzuverlässig< sei, ein Frauenheld, und auch gern zur Flasche griff. Sachverständige Beobachter waren der Meinung, daß Morris Jones, der große, schlanke junge Mann, der unsere kleine Herde im letzten Jahr geschoren hatte, den andern sicher in absehbarer Zeit von seinem Thron stürzen würde.
    Die Schafscherer arbeiteten im allgemeinen zu zweit oder in einer noch größeren Gruppe, wenn sie mit umfangreichen Herden zu tun hatten, die etliche hundert Tiere zählten. Bei Tagesanbruch machten sie sich bereits auf den Weg, arbeiteten, bis sie nichts mehr sehen konnten und fielen dann — in zunehmendem Maße todmüde — anschließend ins Bett. Aber die Schur war ihr Anteil an der Wollernte, und diesen wollten sie um keinen Preis aufgeben.
    Für einen Mann waren unsere fünfundsechzig Schafe eine leichte Arbeit, die innerhalb von zwei Stunden geschafft werden konnte. Aber zwölfeinhalb Pence pro Vlies waren zusammengerechnet doch ein >hübsches Sümmchen<, wie die Einheimischen sich ausdrückten.
    Wir standen auf

Weitere Kostenlose Bücher