Aerger mit dem Borstenvieh
braunem Fell.
An seinen Vorderbeinen hob Howard es hoch und schüttelte es, um so den Magen wieder in die richtige Lage zu bringen. Es gab kein Lebenszeichen von sich.
»Es ist tot«, sagte unser Freund. Für diesmal klang er recht hilflos.
Doch John wollte versuchen, es zu retten. »Helft mir, es über das Geländer zu schaffen«, sagte er und packte das Kalb.
Das kleine Geschöpf schlangen wir über die niedrige hölzerne Wand, welche die einzelnen Gehege trennte.
»Hoffentlich erinnere ich mich, wie man’s richtig macht«, sagte er. Dann hob und senkte er das Kalb an seinen Vorderbeinen; dadurch rutschte der Magen nach vorn und drückte die Lungen zusammen und ließ sie wieder sich ausdehnen. Diese Pumpbewegung schuf ein Vakuum, das anschließend mit Luft gefüllt wurde.
Es klappte! Plötzlich schnappte das Kalb nach Luft und füllte damit seine Lungen. Sein ganzer Körper schauderte und mit einem Mal fing es an zu atmen. Wir legten es neben die Kuh, damit sie es reinigen konnte.
»Mann, ich werd’ nicht mehr!« sagte Howard kopfschüttelnd. »Während meines ganzen Lebens als Bauer hab’ ich so was noch nie gesehen. Man lernt eben nie aus! Das stimmt tatsächlich.«
»Gibt es sonst noch was, was ich Ihnen zeigen kann?« fragte John in keckem Ton.
»Glaub bloß nicht, daß ich nicht fragen würde«, gab Howard lachend zurück, während wir Kuh und Kälbchen beobachteten.
Da wir alles in Ordnung wußten, gingen wir in die Küche. Howards freundliche Frau Dilys hatte für uns Tee aufgebrüht; in ihrem wattierten Morgenrock und den warmen Hausschuhen schenkte sie uns ein und lauschte dabei der Erzählung ihres erleichterten Mannes über die Geburt.
»Noch nie hab’ ich so was gesehen«, sagte er.
Hinter Howards Rücken zwinkerte sie John zu und sagte: »Da sieht man mal, daß es noch Dinge gibt, die selbst du noch nicht weißt.«
Nach einer halben Stunde waren wir wieder zu Hause. Ich kroch neben Shirley ins Bett; sie wachte auf und fragte: »Habt ihr’s geschafft?«
»Ein braunes Stierkälbchen«, antwortete ich und knipste das Licht aus. Es war halb zwei, um fünf Uhr würde der Wecker rappeln.
Den Tag darauf bekamen auch wir zwei Kälber. Alles verlief ohne Schwierigkeiten. Wir hatten die beiden Kühe in zwei Gehege zum Kalben gebracht. Gegen Mittag war das erste Kalb da: ein gesundes schwarzes Stierkalb. Um acht Uhr abends kam dann das zweite: eine kräftige schwarzweiße Färse.
Inzwischen hatten wir genügend Erfahrungen darin. Die Kälber führten wir zu den Zitzen ihrer Mütter, damit sie das Colostrum saugen konnten, die erste Milch, die die Kuh nach dem Kalben produziert. Colostrum enthält Antikörper, die das Kalb gegen Krankheitserreger schützen, ebenso Vitamine und Abführstoffe, die den Darm des Neugeborenen reinigen.
Nach dieser ersten Mahlzeit werden die Kälber von ihren Müttern getrennt, und die Kühe gehen wieder zur Herde zurück. Während einiger Tage, bis das Colostrum versiegt und die Milch wieder zum Verkauf geeignet ist, werden diese Kühe separat gemolken und ihre Milch mit Flaschen den Kälbern gegeben. Diese Methode mag zwar hart erscheinen, aber wir hielten sie für die beste und am wenigsten schmerzhafte Art, die Kälber großzuziehen. Wenn man es zuläßt, daß Kuh und Kalb zu lange beieinander bleiben, leiden beide sehr darunter, wenn die unvermeidliche Trennung eines Tages kommt. Doch sehr schnell war es auf diese Weise überwunden.
Man darf nicht außer acht lassen zu bedenken, daß das Kalb, so wertvoll es auch sein mag, eigentlich nur ein Nebenprodukt ist. Aus unserer Sicht, allerdings nicht aus der der Kuh, war die Milchproduktion der Zweck des Ganzen.
Kohlpflänzchen und Aussaat
A lles und alle waren in Bewegung. In den Bäumen stieg der Saft wieder hoch. Unsere Freunde schüttelten die Winterträgheit ab und kümmerten sich wieder um ihre Felder. Maschinen und Geräte wurden hervorgeholt und für den Arbeitseinsatz bereitgemacht. Gefolgt von den Hunden schritten die Männer ihre Felder ab, um zu prüfen, ob der Boden bereits trocken und fest genug zum Bearbeiten war.
Im letzten November hatten wir unser zwei Hektar großes Feld neben dem Farmhaus umgepflügt; Frost und Schnee hatten die Erdbrocken aufgebrochen. Jetzt war die Zeit gekommen, die groben Furchen so zu bearbeiten, daß feinkörniger Ackerboden daraus entstand, damit man darauf die Gerste einsäen konnte.
Dazu mußten wir uns einen Satz Scheiben ausleihen. Und wer außer Howard
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