Aerzte zum Verlieben Band 42
murmelte etwas vor sich hin, was nach „Erpressung!“ klang.
„Wie bitte?“
„Nichts“, knurrte er. Er trat ein paar Schritte vor zu der OP-Schwester, die mit dem sterilen Kittel in den Händen bereitstand. Während Luke hineinschlüpfte und ihn sich zubinden ließ, sagte er etwas lauter: „Schön, dass Sie heute Morgen dabei sein können, Anna.“
„Ich hätte es nicht gern verpasst“, antwortete sie ruhig. „Ein komplizierter Fall. Ich bin sicher, dass ich eine Menge lernen werde.“
Die Schwester nickte beifällig. „Wir alle“, sagte sie bewundernd. „Die Zuschauergalerie ist voll besetzt.“
Anna blickte auf und lächelte Luke an.
Siehst du? wollte sie ihm sagen. Keiner wird sich wundern, dass ich auch da bin. Wir beide sind die Einzigen, die den wahren Grund kennen, und wir beide wissen, dass es sein muss.Ihr Lächeln schwand, aber sie hielt seinen Blick fest. Gewöhne dich daran, riet sie ihm stumm. Es muss dir nicht passen, aber du wirst dich damit abfinden müssen.
Was er dann tat, das hatte sie allerdings nicht erwartet: Er überließ ihr das Operieren. Die meiste Zeit musste sie seinen Anweisungen folgen, er selbst übernahm das Skalpell immer nur für wenige Minuten.
Es war ein langer, sehr schwieriger Eingriff. Die Patientin mittleren Alters litt an einem Lungentumor, der sich so weit ausgebreitet hatte, dass er die Funktion der großen Blutgefäße zum Herzen beeinträchtigte. Geschwollene Knöchel und zunehmende Atemnot hatten sie einen Arzt aufsuchen lassen, der dann den Grund für die Herzschwäche feststellte.
Fünf Stunden dauerte die Operation, bis Anna und Luke die Blutgefäße von der Geschwulst befreit und einen Lungenlappen entfernt hatten. Hinterher war Anna völlig erledigt. Deshalb begriff sie auch erst, nachdem die Patientin von der Herz-Lungen-Maschine abgenommen war und ihr Herz wieder selbsttätig schlug, was Luke getan hatte: Indem er Anna operieren ließ, forderte er höchste Konzentration von ihr, sodass sie gar keine Zeit hatte, sich zum Aufpasser aufzuschwingen.
Sie hatte nichts dagegen, im Gegenteil, sie fand es brillant. Indem er sie beaufsichtigte, musste er sich erst recht konzentrieren – stärker, als wenn er die Operation selbst durchführte. Vieles hatte er im Voraus zu bedenken, um notfalls eingreifen zu können, falls sie mit ihm nicht auf einer Wellenlänge arbeitete.
Nicht dass es irgendwelche Meinungsverschiedenheiten gegeben hätte. Sie waren erstaunlich gut aufeinander eingespielt, und zwar so sehr, dass Anna es sofort bemerkt hätte, wenn Luke abgelenkt gewesen wäre.
Aber es war nichts passiert. Er hatte ihr die Möglichkeit geboten, sich zu beweisen, und gleichzeitig hatte sie eine Menge gelernt. Für den unbeteiligten Zuschauer musste es so ausgesehen haben, als wären sie ein perfektes, harmonisches Team.
Die gesamte Operation war also ein Erfolg gewesen, nicht zuletzt für die Patientin, deren Lebensqualität sie entscheidend verbessert hatte.
Luke mochte es vielleicht nicht so sehen, aber er hatte mehr erreicht, als nur sein Gesicht zu wahren. Alle, die der Prozedur zugeschaut hatten, mussten zu der Ansicht gelangt sein, dass der leitende Chefarzt außergewöhnliche Fähigkeiten sowohl chirurgisch als auch in der Lehre bewiesen hatte. Damit war sein Ansehen mit Sicherheit gestiegen.
Anna mochte total erschöpft sein, aber sie fühlte sich nahezu euphorisch. Beflügelt von ihrer – und seiner – Leistung, dachte sie: Ja, so könnte es klappen. Niemand wird es merken, wenn er unkonzentriert ist, und ich werde da sein, um ihm zu helfen .
Luke hingegen schien weniger begeistert zu sein. Immer öfter fing sie in den nächsten Tagen seine grüblerischen, dunklen Blicke auf.
Bald entwickelte sie eine feine Antenne dafür. Sie spürte sogar, wenn Luke sie von Weitem intensiv betrachtete, mit diesem für ihn so typischen grimmigen Ausdruck. Ob sie nun aus dem Fahrstuhl kam oder mittags die Kantine betrat, Luke schien überall zu sein. Es spielte auch keine Rolle, wie lange sie arbeitete oder wie früh sie morgens anfing, er war immer da.
Oder lag es daran, dass sie sich seiner so stark bewusst war?
Ja, sie fand es gut, dass er sichtlich verärgert war. Das hieß doch, dass er an ihren albernen Einfall, ihn zu küssen, keinen Gedanken mehr verschwendete.
Wie auch immer, er schien nicht im Traum daran zu denken, diesen Kuss vielleicht zu wiederholen. Perfekt, dachte sie. Das Thema war ein für alle Mal erledigt, und sie konnte sich
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