Aerzte zum Verlieben Band 42
vorbeugte, die Hände auf der Schreibtischplatte zu Fäusten geballt. „Ich habe meiner Familie nichts davon gesagt, weil ich das, was passiert ist, nicht feiern will. Ich will den Krieg nicht verherrlichen, ihm einen hübschen Rahmen geben, wenn wir alle da stehen in schicken, sauberen Uniformen, mit glänzenden Abzeichen. Alles nur für die Presse. Und der Ball ist das Letzte! Wie kann man tanzen, sich vergnügen, wenn man Krieg erlebt hat?“
Er senkte die Stimme, sie klang rau, fast beschwörend. „Krieg ist schmutzig, es fließt Blut, und es geht um Menschen. Sie sterben, Tausende von Meilen entfernt von denen, die sie lieben. Und die, die es noch nicht erwischt hat, haben Angst. Angst, ihre geliebte Familie nie wiederzusehen.“
Er legte den Kopf gegen die Sessellehne und schloss die Augen. „Ja, ich habe überlebt. Was ist mit all den anderen?“ Luke richtete sich wieder auf, sah Anna an. Aber seine Augen, seine Miene waren ausdruckslos, ohne jede Emotion, so als wäre ein undurchdringlicher Vorhang gefallen. „Ich will keinen Preis dafür, dass ich Glück gehabt habe.“
Anna schluckte. Sie gehörte auch zu seinem zivilen Leben. Sie war bedeutungslos.
Das Schweigen dehnte sich, wurde zu einem breiten Graben. Ich muss etwas sagen, dachte sie verzweifelt. Irgendetwas, um diese schreckliche Distanz zwischen uns zu überbrücken.
„Ja, im Krieg geht es um Menschen“, begann sie. „So fängt es an, nicht? Menschenrechte werden mit Füßen getreten, Menschen, unter ihnen unschuldige Kinder, verlieren ihr Leben oder ihre Freiheit. Die meisten von uns verdrängen diese Gräueltaten, weil sie unser Leben nicht betreffen und weil wir sowieso nichts dagegen tun können.“
Sie holte tief Luft, die Worte kamen jetzt wie von selbst. „Aber es gibt Menschen, die den Mut aufbringen, die Hand zu heben und zu sagen: Ich will helfen. Ich gehe hin, ich bin bereit, schreckliche Dinge zu ertragen. Und zwar nicht, weil ich dafür einen Orden bekomme, sondern weil ich vielleicht dazu beitragen kann, dass die Welt ein besserer Ort zum Leben wird.“
Hörte er ihr zu? Anna konnte es nicht sagen. Sie redete weiter, versuchte ihn davon zu überzeugen, dass es gut und richtig war, was er getan hatte. Dass sie ihn mit dieser Vergangenheit akzeptierte. Die ganze Zeit hoffte sie auf ein Wunder, dass sie die richtigen Worte fand, um zu ihm durchzudringen. Damit er sie nicht ausschloss und endgültig aus seinem Leben stieß.
„Wenn es nur genug Leute gibt, die nicht die Augen verschließen und sich damit befassen, was Krieg bedeutet, dann könnte sich etwas verändern, ohne dass Menschen sterben müssen“, fuhr sie fort. „Durch solche Verleihungszeremonien wird die Öffentlichkeit aufmerksam. Wenn Helden berichten und erzählen, was sie erlebt haben, dann hören die Leute zu.“
Luke blickte sie an, aber sein Gesicht zeigte keine Regung.
„Vielleicht hören zuerst diejenigen, die einen geliebten Menschen verloren haben, genau hin. Weil sie versuchen, einen Sinn zu finden in dem, was passiert ist.“
Was auch für Luke galt …
„Dann hören die hin, die voller Dankbarkeit und Glück sind, weil jemand, den sie lieben, unversehrt nach Hause zurückgekehrt ist. Dank dieser Helden. Ich kann mir gut vorstellen, dass die Familien der Soldaten, die du gerettet hast, dir mit Freuden einen Orden verleihen würden. Aber sie brauchen sich nicht darum zu kümmern, das übernimmt die Armee für sie.“
Immer noch keine Reaktion. Anna verspürte einen Anflug von Ärger. „Was glaubst du, wie ihnen zumute sein wird, wenn du nicht auftauchst? So, als wäre es dir völlig egal?“
„Bist du fertig?“ Luke wandte sich ab.
„Nein.“ Ihr Mund war plötzlich wie ausgedörrt. Das war’s. Sie hatte es vermasselt. Luke hatte die Tür fest verschlossen, dieser Teil seines Lebens sollte sie nichts angehen. Anna stieß einen bebenden Seufzer aus und schloss resigniert die Augen. „Die Party ist bestimmt nicht schlecht“, sagte sie trocken. „Wenigstens wird niemand ein Rentiergeweih tragen.“
Als sie die Augen öffnete, hatte er sich ihr wieder zugewandt. Ihre flapsige Bemerkung hing im Raum, und auf einmal veränderte sich etwas in Lukes Blick. Die Schatten lichteten sich, ein ungläubiger Ausdruck trat in seine Augen. Es erinnerte sie schlagartig an …
Ja, an jenen Tag, als Luke unerwartet in ihrem Cottage aufgetaucht war und Anna entdeckt hatte anstelle seiner Kollegin Dr. Bartlett. Als sie diesen albernen Witz gemacht
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