Aerzte zum verlieben Band 48
aufgewühlt, Ella zu Bett zu bringen? Oder hatte er Angst, sentimental zu werden?
Endlich hatte sie in den Tiefen ihres Rucksacks gefunden, wonach sie suchte. Eine schwarze Pyjamahose mit gelben Bananen darauf und ein mehr oder weniger dazu passendes gelbes T-Shirt.
Während sie noch nach einem Handtuch suchte, erklang von draußen plötzlich ein durchdringender Schrei.
„Jorge! Jorge!“
Sofort ließ Caroline alles fallen und folgte Jorge nach draußen. Die schwache Lampe vor dem Eingang der Krankenstation beleuchtete eine makabre Szene. Zwei kleine, schmächtige Männer stützten einen dritten, und alle drei waren blutüberströmt.
Jorge war als Erster bei den Männern und sprach aufgeregt mit ihnen in einer für Caroline unverständlichen Sprache. Dann führte er sie in die Krankenstation.
„Nur dieser eine Mann ist verletzt“, erklärte er ihr im Behandlungsraum und wies die anderen beiden Männer an, ihren Freund auf den Untersuchungstisch zu legen. Danach komplimentierte er sie sehr bestimmt hinaus.
Entsetzt starrte Caroline auf das linke Bein des Verletzten, an dem der halbe Fuß fehlte.
„Sie haben zwar einen Druckverband angelegt, aber er verliert trotzdem viel zu viel Blut. Ich werde ihm zunächst einen Zugang legen und Volumen geben, bevor ich mich um die Verletzung kümmere. Es wäre mir eine große Hilfe, wenn du in der Zwischenzeit die kleineren Schnitte an Armen und Händen nähen könntest.“
„Aber Jorge! Er muss sofort in eine richtige Klinik!“, protestierte Caroline. „Ich habe im Internet gelesen, dass es fünf größere Krankenhäuser in dieser Stadt gibt. Du kannst ihn unmöglich hier behandeln!“
Mit seinen dunklen Augen sah Jorge sie kurz an. „Später“, erklärte er ruhig. „Ich werde es dir später erklären. Erst einmal musst du mir helfen. Juan wird so lange auf Ella aufpassen.“
Ohne auf ihre Zustimmung zu warten, wechselte er einige Worte mit Juan, der inzwischen ebenfalls erschienen war. Dann schloss er einen kleinen Metallschrank auf und zeigte Caroline, dass sie darin alles finden würde, was sie brauchte.
Da sie wusste, dass sie keine Zeit zu verlieren hatten, suchte Caroline sich schnell die nötigen Dinge zusammen. Sterile Handschuhe, Kochsalzlösung, um die Wunden auszuwaschen, ein Lokalanästhetikum und Nahtmaterial.
Die Haut ihres Patienten war inzwischen grau geworden – entweder wegen seiner starken Schmerzen, oder wegen des großen Blutverlusts.
Sie mussten sich beeilen!
Doch als sie die blutgetränkten Lumpen, mit denen die Wunden provisorisch verbunden worden waren, entfernte, spürte sie vor Schreck Übelkeit in sich aufsteigen.
„Das war kein Unfall“, flüsterte sie Jorge zu. „Er ist offensichtlich angegriffen worden.“
„Näh ihn einfach wieder zusammen“, entgegnete Jorge so ruhig und bestimmt, dass Caroline sich ein wenig wegen ihrer heftigen Reaktion schämte. Schließlich war sie in erster Linie Ärztin. Es ging sie nichts an, wie ihr Patient zu seinen Verletzungen gekommen war. Ihre Aufgabe war einzig und allein seine Versorgung.
Schon in Afrika war dies ihre größte Schwäche gewesen. Sie hatte in den Patienten immer mehr als den akuten Fall gesehen und sich nur schwer damit abgefunden, dass sie an den widrigen Umständen kaum etwas ändern konnte.
Als Erstes konzentrierte sie sich auf den linken Arm des Mannes. Eine tiefe Wunde klaffte quer auf dem Oberarm, und Caroline schauderte bei dem Gedanken an die Axt oder Machete, mit der ihm dieser Hieb versetzt worden war.
„Wir werden ihn narkotisieren“, erklärte Jorge. „Das hier ist Lila, eine unserer Krankenschwestern. Sie wird sich um die Narkose kümmern.“
Caroline sagte Hallo zu der älteren Frau, die routiniert eine Beatmungsmaske über das Gesicht des Verletzten stülpte und Elektroden für ein EKG anlegte.
„So, er schläft jetzt“, stellte Jorge kurz darauf fest und begann, den halb amputierten Fuß zu versorgen.
Ihr Entsetzen über das Ausmaß der Verletzungen musste ihr deutlich im Gesicht stehen, denn Jorge sah sie tadelnd an. „Mach weiter!“
Doch als sie die übrigen Schnitte nähte, war Caroline nur zu neunundneunzig Prozent bei der Sache. Das letzte Prozent ihrer Gedanken war nach Afrika zurückgekehrt, zurück in die Straße, in der sie einst mit Jorge einem schwer verstümmelten Bettler begegnet war. Sie hatte versucht, Jorge zu erklären, dass ihr entsetztes Zusammenzucken nichts mit dem abstoßenden Aussehen des Mannes zu tun gehabt hatte,
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