Aerzte zum Verlieben Band 57
Blühen brachte!
Als sie den Ausgang der Station erreichten, kam Charlie ihnen entgegen. Evie sah ihm an, dass er die Situation mit einem Blick erfasste. Was sie nicht weiter beunruhigte. Charlie kannte Mirandas Geschichte besser als alle anderen. In den letzten Jahren ihres Studiums hatten Evie und er sich vieles anvertraut, und sie wusste, dass sie sich auf seine Diskretion verlassen konnte. So wie er sich auf ihre.
„Ist alles in Ordnung?“
„Ja“, sagte Evie, ging aber weiter. Wenn sie stehen blieb, nutzte Miranda vielleicht die Gelegenheit, eine Szene zu machen, und das musste sie unbedingt vermeiden. „Wolltest du zu Bella?“ Als er nickte, bat sie: „Bleibst du bei ihr, bis ich wieder oben bin?“ Sie kannte ihre jüngere Schwester. Bella machte sich bestimmt Gedanken über den Besuch ihrer Mutter, und der Stress tat ihr nicht gut. Charlie war genau der Richtige, um sie abzulenken.
„Klar, kein Problem.“
Kurz darauf klopfte Charlie an Bellas Zimmertür und trat ein.
Bella saß aufrecht im Bett. Sie war immer noch blass, trug aber die Sauerstoffbrille unter der Nase nicht mehr, sodass er zum ersten Mal seit ihrer Einlieferung ihr Gesicht frei von Schläuchen sah.
„ Ciao , Bella. Störe ich?“, fragte er und hielt die Papiertüte, die er in der Hand hatte, hoch. „Ich habe dir Schokolade mitgebracht.“
Er wurde mit einem leuchtenden Lächeln belohnt. „Jemand, der mir Schokolade bringt, stört nie.“
Auf einmal nahm Charlie gar nicht mehr wahr, dass sie blass war oder zu dünn. Er sah, wie ihre grauen Augen funkelten und wie sich beim Lächeln ihre Züge veränderten. Für jemanden, der so zart gebaut war, hatte sie ein rundes Gesicht, aber wenn sie lächelte, wurde es auf anziehende Weise herzförmig. Bella sah nicht mehr wie ein Teenager aus, sondern wie eine junge Frau. Warum war ihm bisher nie aufgefallen, wie schön sie war?
Für ihn war Bella immer die Ruhige, Unauffällige unter den drei Lockheart-Schwestern gewesen. Jetzt fand er, dass sie auch die Hübscheste war. Schlank, mondän und betörend charmant zog Lexi mit ihrem platinblonden Haar stets zuerst die Aufmerksamkeit auf sich. Und Evie, mit ihrer starken, selbstbewussten Persönlichkeit, stand auch schnell im Mittelpunkt. Da war es kein Wunder, dass die stille Bella neben ihren Schwestern kaum beachtet wurde.
Aber während er sie jetzt betrachtete, war ihm, als sähe er sie zum ersten Mal richtig. Sie hatte wunderschöne graue Augen, die einen reizvollen Gegensatz zu ihren schimmernden kastanienroten Locken bildeten. Ihre Wangen waren leicht gerötet, sodass sie gar nicht mehr kränklich wirkte.
Charlie wurde bewusst, dass er sie anstarrte, und er riss sich zusammen. Er reichte ihr die Papiertüte, ehe er sich einen Stuhl heranzog. Auf Bellas Bett lagen Skizzenbücher, Bleistifte und Buntstifte in allen Farben, aber das rote Negligé war nirgends zu sehen.
Ihr Laptop stand auf dem schwenkbaren Tischchen des Nachtschranks, und sie schob den PC zur Seite, bevor sie in die Tüte griff und eine Köstlichkeit nach der anderen hervorholte. Bald häuften sich Schokoladenmuffins, Schokoladen-Cheesecake, Schokoriegel und Karamellschnitten mit Schokoglasur auf der Ablagefläche.
„Was möchtest du?“, fragte Bella.
„Du zuerst, ich habe es für dich geholt.“ Charlie suchte in der Tüte nach Löffeln für den Cheesecake. Bella lächelte noch immer vergnügt, und ihm fiel auf, dass sie nicht so schüchtern war wie sonst. Vielleicht wirkte sie deshalb anders, viel natürlicher. Er war froh, dass sie den Besuch ihrer Mutter anscheinend besser verkraftet hatte, als Evie annahm.
„Bei Miranda hat sich also nichts geändert?“, fragte er und erzählte von seiner Begegnung mit Evie und ihrer Mutter im Flur.
„Nein. Aber ich habe gelernt, dass ich darauf nicht den geringsten Einfluss habe.“
Sie straffte die schmalen Schultern, und Charlie war beeindruckt. Auch wenn sie so zerbrechlich und jung aussah, sie zeigte auf bemerkenswerte Art Haltung.
„Meine Mutter hat nie ein Geheimnis daraus gemacht, dass ich für sie nur ein Problem war“, erklärte sie. „Jahrelang habe ich versucht, es wieder gutzumachen, aber was ich auch tat, es hat nichts genützt. Inzwischen beachte ich ihre Sticheleien und Seitenhiebe nicht mehr, auch wenn es mir manchmal schwerfällt. Und heute Abend will ich mich damit nicht befassen. Sie macht sich keine Gedanken um mich, warum soll ich mir welche um sie machen?“
Die Lockheart-Schwestern
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