Aerzte zum Verlieben Band 57
er das aus, was auch Bella sich spontan gefragt hatte. Bevor eine von ihnen jedoch etwas sagen konnte, brach Miranda das Schweigen.
„Bella, mein Baby!“, rief sie aus und beugte sich über sie, um sie auf die Wange zu küssen. Dabei verlor sie fast das Gleichgewicht und musste sich mit einer Hand auf dem Bett abstützen. Bella rümpfte die Nase, als ihr eine leichte Ginfahne entgegenschlug.
„Mum, was machst du hier?“
„Dich besuchen, natürlich.“
„Ich bin seit drei Tagen im Krankenhaus.“ Für Bella war es nichts Neues, dass sie auf der Prioritätenliste ihrer Mutter unter „ferner liefen“ stand.
„Drei Tage! Ich habe es gerade erst erfahren. Warum hat mir keiner eher Bescheid gesagt?“
„Richard hat versucht, dich zu erreichen“, sagte Evie.
„Na, da hat er sich aber nicht besonders angestrengt.“ Ihre Mutter verzog die rot geschminkten Lippen zu einem Schmollmund.
„Er hat dir mehrere Nachrichten hinterlassen.“
„Warum hast du mich nicht angerufen?“, sagte sie vorwurfsvoll. „Weißt du, wie verletzend es für mich ist, wenn meine eigenen Töchter mich meiden?“
Typisch, dachte Bella. Miranda lebte in ihrer eigenen Welt, die sich um ihr Äußeres und ihren Ginvorrat drehte. Ihre Töchter kamen frühestens an dritter Stelle. Am liebsten hätte sie sie gefragt, ob ihr klar sei, wie sehr sie ihre Kinder verletzte. Früher schon, als sie sie ständig vernachlässigte, und später, als sie sie einfach verließ.
Aber Bella wollte keine Szene machen. Sie mochte keinen Streit. Obwohl es schwierig war, dem aus dem Weg zu gehen, wenn ihre Mutter sich mal wieder blicken ließ.
„Wir hatten abgesprochen, dass Richard dich anruft“, antwortete Evie, die anscheinend weniger Skrupel hatte, auf Konfrontationskurs zu gehen. „Erzähl mir nicht, dass du seine Nachrichten nicht bekommen hast. Wenn du nicht in der Verfassung bist, ans Telefon zu gehen oder deinen Anrufbeantworter abzuhören, dann ist das dein Problem. Wir müssen dir nicht hinterherlaufen. Wir kümmern uns um Bella, sie braucht uns.“
Bella fand es immer wieder bewundernswert, wie Evie sich behauptete. Sie hätte auch gern den Mumm gehabt, ihrer Mutter die Meinung zu sagen. Aber mehr noch wünschte sie sich, dass sie sie liebte, und deshalb machte sie ihr nur selten Vorwürfe.
Miranda straffte die Schultern. Mit ihren hohen Absätzen war sie fast so groß wie Evie. „Entschuldige bitte“, sagte sie gekränkt. „Ich hatte nur einen Aperitif, du weißt, wie sehr ich Krankenhäuser verabscheue.“
Das nahm Bella ihr nicht ab. Und bei dem einen Aperitif war es sicher nicht geblieben. Aus dem Drink vorm Essen waren mehrere geworden, und dann war das Essen ganz ausgefallen, weil der Gin besser geschmeckt hatte …
Hatte ihre Mutter überhaupt eine Ahnung, wie sehr sich ihre Töchter wünschten, dass sie ihnen zuliebe ihre Sucht bekämpfte? Bella wusste, dass Evie die Hoffnung schon vor langer Zeit aufgegeben hatte. Bella nicht. Doch es hatte wenig Sinn, darüber zu diskutieren. Sie würde sowieso nichts ändern können. Aber sie war erschöpft, und der unerwartete Besuch ihrer Mutter deprimierte sie zusätzlich. Ob sie den Mut aufbringen und ihr sagen könnte, sie möge bitte gehen? Bevor eine von ihnen etwas sagte, das sie später bedauern würde?
„Vielleicht solltest du dich verabschieden, wenn dir Krankenhäuser so zuwider sind“, sagte Evie und kam unbewusst einmal mehr Bella zu Hilfe.
„Ich habe dasselbe Recht wie du, hier zu sein.“
„Nein, hast du nicht. Hier geht es nicht um dich, sondern um Bella. Sie braucht positive Unterstützung. Wenn du ihr das nicht geben kannst, solltest du gehen. Übernimm endlich die Verantwortung für das, was du tust. Bella muss sich nicht dein Gejammer anhören. Sie muss sich von dir keine Schuldgefühle eintrichtern lassen, weil sie im Krankenhaus ist. Glaubst du, sie ist gern hier? Ich bringe dich noch nach unten und bestelle dir ein Taxi.“ Evie wandte sich an Bella. „Kannst du eine Weile allein bleiben?“
Bella nickte. „Ich bin müde. Vielleicht magst du an einem Vormittag wiederkommen“, sagte sie zu ihrer Mutter und sah zu, wie Evie eine sichtlich verblüffte Miranda sanft, aber bestimmt am Ellbogen fasste und sie zur Tür schob.
Evie hielt ihre Mutter fest, nicht nur, damit sie auch mitkam, sondern auch, weil sie nicht ganz sicher auf den Beinen schien. Das hätte ihr gerade noch gefehlt, dass Miranda durch das Krankenhaus torkelte und Tratsch und Klatsch zum
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