Aerzte zum Verlieben Band 57
und das Schreiben war immer mühselig gewesen. In der Schule suchte sie sich, wo es ging, die praxisbezogenen Fächer wie Kunst und Design aus, weil sie sich auf ihr Zeichentalent verlassen konnte. Die Vorstellung, eine schriftliche Bewerbung zu verfassen, die vielleicht darüber entschied, ob sie einen Studienplatz bekam oder nicht, war einfach abschreckend gewesen. Bella hatte sich nicht getraut, das Risiko einzugehen.
„Wie soll diese Bewerbung aussehen?“
„Ich muss erklären, warum ich das Fach studieren möchte, was ich mir davon verspreche und warum sie mich nehmen sollen.“
„Das hört sich nicht so schlimm an.“
„Ich kann alles zeichnen, aber mit Worten tue ich mich schwer.“ Sie konnte ihm nicht von ihrer Dyslexie erzählen.
„Was hältst du von einem Deal?“, meinte er lächelnd. „Du nimmst das Studium in deine Wunschliste auf, und ich helfe dir bei den Formulierungen. Wir haben schon November, die Bewerbungsfrist für nächstes Jahr läuft bestimmt bald ab – falls sie nicht schon abgelaufen ist.“
„Nächstes Jahr?“
„Ja, das wäre doch wundervoll. Dann hast du etwas, worauf du dich freuen kannst. Es ist ganz einfach: Du erzählst mir, was dieses Studium für dich bedeutet, und ich schreibe dir die Bewerbung.“ Sein Pager bimmelte. Charlie zog ihn aus der Tasche, warf einen kurzen Blick darauf und fügte hinzu: „Ich komme morgen wieder, dann bringen wir das unter Dach und Fach.“
Er zwinkerte ihr zu und war verschwunden, ehe sie protestierten und ihm sagen konnte, dass sie ein Studium wahrscheinlich gar nicht schaffte. Die Bewerbung war ja nur der Anfang. Wie sollte sie mit schriftlichen Prüfungen klarkommen, mit Notizen, Skripten? Studieren ohne Lesen und Schreiben – das müsste für sie erst noch erfunden werden!
Bella nahm das rote Negligé in die Hand. Verträumt strich sie über die schimmernde Seide, während sie sich vorstellte, wie sie es auf nackter Haut trug. Wie Charlie ihr langsam einen der schmalen Träger von der Schulter streifte. Wie er sich vorbeugte und mit warmen Lippen ihren Hals liebkoste. Ihr wurde heiß.
Sie riss die Augen auf und stopfte das verführerische Wäschestück ganz hinten in ihre Nachttischschublade. Da konnte es bleiben, zusammen mit ihren Fantastereien wegen des Studiums und zusammen mit ihren Fantasien wegen Charlie. Nichts davon brauchte jemals wieder ans Tageslicht zu kommen …
4. KAPITEL
Bella wurde das Gefühl nicht los, dass sie die meiste Zeit des Tages damit verbrachte, zur Tür zu schielen und auf Charlie zu warten.
Lexi hatte sie besucht, Evie war vorbeigekommen, Sam machte Visite und meinte, dass er sie bald nach Hause entlassen könnte. Nur Charlie ließ sich nicht blicken.
Sie mochte gar nicht daran denken, wie sehr sie sich darauf gefreut hatte, ihn heute zu sehen. Sie hatte sogar den Flanellpyjama im Schrank verschwinden lassen und stattdessen T-Shirt und Leggins angezogen. Aber je mehr Stunden verstrichen, umso weniger Hoffnung machte sie sich. Anscheinend hatte er sie vergessen.
Am späten Nachmittag, als Evie ein zweites Mal bei ihr war, hörte Bella Schritte, die sich ihrer Tür näherten. Ihr Herz geriet einen Moment aus dem Takt, aber die Enttäuschung folgte schnell. Wer auch immer zu ihr wollte, hatte einen unsicheren, zögernden Gang und trug High Heels.
Eine ältere Ausgabe von Lexi stöckelte ins Zimmer. Die Frau hatte das gleiche platinblonde Haar und auch die leuchtend blauen Augen ihrer Schwester, aber Bella wusste, dass damit schon die Ähnlichkeiten endeten. Dies hier war ihre Mutter.
Wie immer war sie von Kopf bis Fuß in Schwarz gekleidet. Die Röhrenhose steckte in hochhackigen Lacklederstiefeln, und dazu trug Miranda ein eng anliegendes Top und einen langen schwarzen Cardigan. Fremde hätten denken können, dass sie auf dem Weg zu einer Beerdigung war. Aber Schwarz war Miranda Lockhearts Lieblingsfarbe, ein dramatischer Kontrast zu ihrem blonden Haar und den Unmengen an teurem Silberschmuck, mit dem sie Hals, Handgelenke und Ohren behängte. An ihren Händen schimmerten zahlreiche Ringe. Auch ihr Make-up war tadellos.
Aber Bella sah trotzdem die verräterisch gerötete Nase. Nicht etwa vom Weinen, nein, diese Röte kam vom Alkohol. Und auch der leicht glasige Blick ihrer Mutter war ihr vertraut. Sonst jedoch war Miranda perfekt gestylt.
Obwohl sie trinkt, ist sie besser zurechtgemacht als ich, dachte Bella unwillkürlich. Dann fing sie Evies Blick auf. Was will sie denn hier? drückte
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