Aerzte Zum Verlieben Band 59
ein bisschen Wein.“
„Du kleine Schnapsdrossel.“ Er lächelte, dachte an die Zeiten ihrer Ehe zurück, wenn sie sich eine Flasche Wein geteilt hatten. Währenddessen redete sie weiter, versicherte ihm wieder, dass sie ihn liebte. Und obwohl er wusste, dass die Scheidung beschlossene Sache war, so tat es ihm doch gut, es zu hören, ihrer Stimme zu lauschen.
Zu aufgedreht, um still zu sitzen, wanderte Ava ins Schlafzimmer, ins angrenzende Bad. Auf den Fliesen lagen benutzte Handtücher, und in der Dusche fand sie vier Einwegrasierer. Natürlich, James würde es nie zulassen, dass eine Krankenschwester ihn dort unten rasierte.
„Bist du kahl?“, fragte sie.
Ich hätte ihn rasieren sollen, dachte sie und sagte es ihm.
„Ava …“
„Nein, im Ernst, ich hätte dich rasieren sollen.“ Und dann beschrieb sie ihm, wie sie es gemacht hätte.
„Verdammt, Ava. Wenn du so weitermachst, muss ich klingeln, damit sie mir einen neuen Behälter bringen.“
Beide lachten.
„Meine Frau, die Sextherapeutin …“
4. KAPITEL
„Gleich geht es los.“ Lily hatte bei James die Vitalwerte abgenommen und auf der Patientenkarte notiert.
Ava stand neben Veronica, während er für den Transport in den OP vorbereitet wurde. Die warme Vertrautheit der letzten Nacht war verschwunden, James kurz angebunden, ja, fast mürrisch, als er Lilys Fragen beantwortete.
Der Krankenschwester schien es nichts auszumachen. Lily war eine Freundin von ihnen, oder vielmehr ihr Mann Luke war ein guter Freund von James. Sie waren auf der Hochzeit der beiden dabei gewesen, und schon oft hatte Lily zu Ava gesagt, dass sie sich mal auf einen Kaffee treffen müssten. Jetzt blickte sie zu ihr hinüber und lächelte. Ava erwiderte es und versuchte krampfhaft, nicht auf Lilys runden Babybauch zu blicken.
„Es kann nur eine mit zum OP kommen“, sagte die Schwester.
„Nicht nötig“, meinte James knapp.
„Sei nicht albern“, entfuhr es Ava, und Veronica bot an, solange einen Spaziergang zu machen.
Während sie ihn begleitete, fragte sich Ava, ob sie damit nicht alles noch schwerer machte. James starrte die ganze Zeit an die Decke. Im OP-Trakt angekommen, reagierte er unwirsch auf die Fragen der OP-Schwester, die doch nur ihrer Arbeit nachging und ein Formular ausfüllen musste.
„Zwei Kronen, obere Schneidezähne.“
Ava erinnerte sich, wie er bei einem Rugbyspiel an der Uni die Schneidezähne verloren und sich die Nase gebrochen hatte. Wenige Tage später war sein Vater gestorben, und James bekam zwei provisorische Zähne für die Beerdigung …
Jede Frage, die die Schwester stellte, barg so viele Erinnerungen an die gemeinsame Zeit.
„Nein“, kam die barsche Antwort, als sie nach Allergien fragte.
Aber das stimmte nicht. Er war allergisch gegen bunte Knetmasse. Veronica hatte ihr erzählt, dass er mit fünf eines Tages aus der Vorschule gekommen war, über und über mit roten Pusteln übersät. Doch das brauchten die Schwestern nicht zu wissen. Vielleicht war es doch ganz gut, dass sie mitgegangen war. Veronica hätte die Geschichte mit dem Play-Doh bestimmt zum Besten gegeben … was James’ Laune sicher nicht verbessert hätte!
Dann war alles erledigt.
„Zeit für einen Abschiedskuss“, zwitscherte die OP-Schwester. „Die Operation dauert eine Stunde, vielleicht auch ein bisschen länger, Sie haben ihn also bald wieder. Wir melden uns, sobald er im Aufwachraum liegt, Ihre Pagernummer haben wir ja.“
Ava beugte sich über James und sah ihm in die grünen Augen. „Viel Glück.“ Wie dürftig ihre Worte klangen … Sie wollte ihn küssen, aber da drehte er den Kopf weg, und ihre Lippen streiften seinen Mundwinkel und die Wange. James schloss die Augen.
Inständig wünschte sich Ava fünf Minuten allein mit ihm, nur fünf Minuten. Aber sie waren ihr nicht vergönnt, nicht seitdem er diesen schrecklichen Knoten entdeckt hatte.
Eine Untersuchung jagte die andere, dann erzählte er es seiner Mutter, die teilte es der Familie mit, und die Abende vergingen mit endlosen Besuchen von Tanten, Onkeln, Cousins und Cousinen. Und wenn sie sich verabschiedet hatten, zog sich James aufs Sofa zurück. Wollte sie mit ihm reden, wehrte er ab – mit den gleichen Vorwänden, die sie ihm gegenüber benutzt hatte.
„Ich bin müde.“ Oder: „Ich brauche Ruhe.“
Nun stand sie hilflos da, als er hinter den schwarzen Türen verschwand.
Ihr Herz ging mit ihm.
„Wie lange dauert es denn noch?“ Veronica stöckelte unruhig auf und
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