Aerzte Zum Verlieben Band 59
ab.
„Sie müssten bald fertig sein“, sagte Ava.
„Und dann geht das Warten richtig los“, stöhnte James’ Mutter.
Sie hatte recht, erst nach der OP würden sie genau wissen, womit sie es zu tun hatten.
„Ich weiß, es ist schwer.“
„Du weißt gar nichts, Ava. Er ist mein Sohn.“
Ava versuchte, Veronicas Antwort nicht persönlich zu nehmen, aber es gelang ihr nicht. Als wüsste nur eine Mutter, was Liebe ist – und da sie keine Mutter war, es nie sein würde … Natürlich hatte Veronica es nicht so gemeint, doch der Stachel saß tief.
„Er ist alles, was ich habe“, fuhr Veronica fort.
Fast hätte Ava ihr gesagt, dass sie wenigstens das Glück erfahren hatte, ein Kind zu haben, aber sie beherrschte sich.
Die Tür ging auf, und Lily steckte den Kopf ins Zimmer. „Ich hole ihn jetzt ab“, verkündete sie lächelnd. „Dauert nicht lange.“
Sie hielt Wort. Zehn Minuten später wurde er in seinen Raum gerollt. Ava und Veronica warteten draußen, bis Lily Puls und Blutdruck gemessen und es ihm bequem gemacht hatte.
Endlich durften sie zu ihm.
„Hey.“ Ava beugte sich über ihn, und diesmal war er zu schwach, um den Kopf wegzudrehen. Der Geruch von Desinfektions- und Narkosemittel stieg ihr in die Nase, aber sie war einfach nur froh, ihn zu sehen. „Wie fühlst du dich?“
„Müde“, murmelte James und war im nächsten Moment eingeschlafen.
Veronica hatte recht gehabt. Die Zeit dehnte sich wie Kaugummi, das Warten schien endlos. Eine halbe Stunde später überprüfte eine Krankenschwester wieder seine Vitalwerte. Als sie gegangen war, stand Veronica auf. Sie habe Kopfschmerzen und wolle gehen, würde aber heute Abend bei ihnen vorbeikommen.
„Soll ich etwas mitbringen?“, fragte sie.
„Nein, wir haben alles“, antwortete Ava. „Ich schicke dir eine SMS, sobald wir zu Hause sind.“
Immer wieder wurde James’ Zustand kontrolliert, und ein Mal wachte er auf und musste sich übergeben. Missmutig sagte er hinterher zu Ava, sie könne ruhig gehen. Als er das zweite Mal aufwachte, war er wieder mehr wie der James, den sie kannte.
„Du kannst gern nach Hause gehen.“ Das klang sehr viel freundlicher als vorhin. „Ich dämmere hier noch ein paar Stunden vor mich hin.“
„Ich lasse dich nicht allein. Okay, vielleicht hole ich mir kurz etwas zu trinken und schicke eine SMS rum, dass du es gut überstanden hast.“
„Geh ruhig Mittag essen.“
Warum nicht? Aber statt in der Kantine zu essen, kaufte sie sich ein Salatsandwich und eine Flasche Mineralwasser und setzte sich in die Sonne.
Schön hier draußen, dachte sie. Das sollte ich öfter tun. Sonst aß sie meistens in ihrem Büro.
Sie ließ den Blick über den Hafen schweifen. Das Wasser schimmerte im Sonnenlicht. Wie lange waren sie nicht mehr auf dem Wasser gewesen? Früher, wenn James ein freies Wochenende hatte, nahmen sie einfach die Fähre, stiegen irgendwo aus und suchten sich ein Frühstückslokal. Wie gern würde sie das an diesem Wochenende tun! Natürlich war er dafür noch zu schwach, aber vielleicht am nächsten oder an dem, bevor er wieder anfing zu arbeiten.
Wenn wir dann noch zusammen sind.
Flüchtig überfiel sie der Gedanke, dass sie nach dem letzten Strohhalm griff, obwohl es doch längst zu spät war. Sie verdrängte ihn, und während ihr die Sonne warm ins Gesicht schien, schmiedete sie weiter Pläne. Wir könnten Scrabble spielen und reden. Oder sie lag neben ihm auf dem Bett und las. Und bitte, sandte sie ein Stoßgebet zum Himmel, lass die Ergebnisse nicht so schlimm sein. Es gab doch noch so vieles, das James sehen und erleben sollte. So vieles, das sie mit ihm zusammen machen wollte …
Ihr verging der Appetit. Ava wickelte das halb gegessene Sandwich wieder ein und machte sich auf den Rückweg zur Station.
Als sie zu James’ Zimmer kam, war die Tür geschlossen. Sie klopfte kurz und ging hinein, aber da rief Lily hinter dem zugezogenen Vorhang, sie möge bitte draußen warten. Sie sei gerade dabei, James’ Wunde zu kontrollieren. Ava wunderte sich – James war doch kein Fremder für sie –, machte aber gehorsam kehrt und wartete im Flur.
„Bin gleich wieder da.“ Lily verließ das Zimmer, zog jedoch die Tür hinter sich zu. Bevor sie zum Wundversorgungswagen eilte, schenkte sie Ava ein Lächeln. Die kam sich ein wenig gemein vor, weil sie es nicht erwiderte, aber sie war absolut nicht in der Stimmung. Stattdessen stand sie steif und verärgert da, als Lily mit steril verpacktem
Weitere Kostenlose Bücher