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Aerztekind

Aerztekind

Titel: Aerztekind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carolin Wittmann
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ihr müde seid, legt ihr euch einfach ins Bett, ich wecke euch dann heute Nacht, wenn wir losfahren.«
    Missmutig verabschiedete ich mich von Frau Schröder und trottete hinaus zum Auto, um meine Schwestern ins Haus zu holen. In Skijacken setzten wir uns vor den Fernseher, schauten bis in die Nacht Zeichentrickfilme auf Tele 5 und aßen zwei Tüten Gummibärchen und drei Tafeln Schokolade. Irgendwann fielen uns die Augen zu, und ich schickte die Kleinen ins Bett. Ausnahmsweise widersetzten sie sich nicht meinen Befehlen, vielleicht aber auch nur, weil ich ihnen erlaubte, aufs Zähneputzen zu verzichten, und sie sich vor Bauchschmerzen von den Süßigkeiten ohnehin kaum mehr aufrecht halten konnten.
    Als ich selbst irgendwann vor dem Fernseher eingerollt erwachte, stellte ich fest, dass die Nacht vorbei war. Draußen war es taghell, und die Sonne brachte den Schnee, der sich über unserer Stadt wie eine riesige Ladung Zuckerguss verteilt hatte, zum Glitzern. Schnell lief ich ins Schlafzimmer meiner Eltern. Ihre Betten waren unberührt. Dann hastete ich in die Küche und kletterte auf die Spüle, um aus dem Fenster hinaus in den Hof zu sehen, wo normalerweise der alte Passat meiner Eltern stand. Normalerweise. Denn an diesem Morgen war der Carport leer.
    Sie haben mich hier vergessen, dämmerte es mir, und ich gratulierte mir selbst zu dieser glücklichen Fügung des Schicksals. Vor einem Jahr hatte ich mit meiner Familie den wirklich guten Film Kevin allein zu Haus gesehen und seitdem auf die Gelegenheit gewartet, es dem Jungen aus dem Film gleichzutun – was natürlich nur ging, wenn meine Familie nicht da war und nach Möglichkeit erst eine Woche später wieder zurückkehren würde.
    Hastig rannte ich ins Kinderzimmer meiner Schwestern. Ich wusste, dass die zwei Biester in der hintersten Ecke ihrer Spielkiste ihre Sammelhefte für Aufkleber bunkerten, und ich war fest entschlossen, mir das große glitzernde Kaninchen, das ich in einem Anfall von geistiger Umnachtung gegen eine flauschige Herde Meerschweinchen eingetauscht hatte, wieder zurückzuholen.
    Als ich die Tür öffnete, sah ich das Entsetzliche: Meine Eltern hatten nicht nur mich vergessen – sie hatten auch meine Schwestern hiergelassen, und das bedeutete meinen Untergang statt eine Woche herrlichster Kinderfreuden! Ich verfluchte meine Eltern in Gedanken laut und wollte gerade die Tür zum Kinderzimmer meiner Schwestern wieder schließen, als Juliane rief: »Caro? Wo ist die Mama? Ich hab so Bauchschmerzen!«
    »Die Mama ist nicht mehr da«, jammerte Anne, und ihre Stimme nahm eine gefährliche Tonkurve an, ähnlich der Sirene eines Feuerwehrwagens, die sich langsam von den unteren Frequenzen kommend bis in höchste Höhen schraubt.
    »Ich glaube, sie haben uns vergessen«, sagte ich trocken.
    Das war die falsche Antwort. Juliane und Anne fingen wie die Seerobben zu heulen an, klammerten sich erst aneinander, dann an mich und konnten sich erst wieder beruhigen, als ich sie ins Wohnzimmer lotste, den Disney Club einschaltete und sie mit weiteren Gummibärchen versorgte.
    »Aber ich hab doch schon so Bauchschmerzen«, jammerte Anne, die aber immer Bauchschmerzen oder Halsschmerzen oder Ohrenschmerzen hatte und deswegen kein besonderes Mitleid in mir hervorrief. Weil ich aber die Tochter meines Vaters bin und damit über eine solide medizinische Grundausbildung verfüge, fasste ich ihr an die Stirn.
    Sie glühte.
    »Ich glaube, du hast Fieber«, sagte ich und gab ihr den ärztlichen Rat, sich lieber wieder ins Bett zu legen. Da Juliane immer noch vor sich hin schniefte und mich damit nervte, fasste ich auch ihr an die Stirn und behauptete, sie habe ebenfalls Fieber. Dass es sich dabei um nicht mehr als das sogenannte Weicheifieber handelte, das bei neurotischen Hypochondern und Jammerlappen die größten Heulszenarien hervorruft, effektiv aber nicht mehr als eine lausige erhöhte Temperatur ist, verschwieg ich lieber. Stattdessen beförderte ich die beiden Grazien wieder ins Bett und machte mich auf die Suche nach Medizin.
    Ich fand Fieberzäpfchen und ein Fläschchen, dessen Inhalt genau so eklig roch wie der Hustensaft, den uns Mama immer gab, und der, wie ich knallhart kombinierte, deswegen gesund sein musste. Außerdem war ein Hirsch vorne drauf, das sah nach starker Medizin aus, und so begann ich zuversichtlich mit der Behandlung.
    »Dreh dich mal um, ich muss dir die Rakete in den Po schieben«, sagte ich zu Juliane, die mich entsetzt

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