Aeternum
Nacht. »Sie wird sicher gesprächiger sein als der Dämon. Die anderen sind ohne Bedeutung.«
Alles in Jul verkrampfte sich. Nicht, weil der Erzengel soeben sein Todesurteil ausgesprochen hatte. Nein, vor seinem inneren Auge erschien das Bild von Baal, wie er in den Katakomben zwischen den Ketten gehangen hatte. Doch nun kniete an der Stelle des Dämons Amanda auf dem kalten Steinboden, blutig und mit Striemen übersät.
Jul traf seine Entscheidung innerhalb eines Augenblicks. Er streckte die Hand nach den Eisenschellen aus, ließ blaues Feuer über das Metall tanzen. Der Dämon zischte vor Schmerz, dann sprangen die Schellen auf, und die Ketten fielen. Jul fing sie auf, bevor sie klirrend auf dem Boden aufschlagen konnten.
Baals Gestalt wuchs an, knochige Spitzen durchstießen die Haut seines Rückens und wölbten sich wie Klingen aus seinen Ellbogen. Mit einem gewaltigen Satz stieß er sich ab, sprang zwischen den Engeln hindurch, genau auf Michael zu. Der Erzengel trat einen eleganten Schritt beiseite, schwang sein Schwert. Doch Baal drehte sich im Flug, seine Gestalt flackerte. Wo zuvor noch ein Arm gewesen war, zischte die flammende Klinge nun durch leere Luft.
Wie eine Katze kam der Dämon mit den Füßen zuerst auf, hinterließ Furchen im Asphalt, als er seinen Schwung bremste. Sofort waren drei Engel über ihm. Sie trieben ihn mit kräftigen Schlägen zurück gegen den Stamm des nahen Baums. Er brüllte wütend auf, schien in einer Vielzahl von Formen zu zerfließen. Doch genau solche Feinde zu bekämpfen, hatten die Diener des Herrn gelernt. Eine flammende Klinge zog einen tiefen Schnitt durch sich ständig wandelndes Fleisch, und Schmerz mischte sich zu der Wut in Baals Stimme.
Jul fuhr herum, riss Muriels Schwert gerade rechtzeitig aus der Scheide, um den Hieb einer flammenden Klinge zu parieren. Die drei Engel hinter ihnen waren zum Angriff übergegangen.
Seine Linke fand den Griff der Pistole. Er schoss, wich gleichzeitig nach hinten, parierte einen weiteren Schlag. Einer der Engel fiel zurück, um seine Wunden zu heilen. Die anderen rückten dichter zusammen.
In Juls Rücken ratterte Krätschmers Sturmgewehr. Die Schüsse hallten laut über die Insel, der Schalldämpfer schien den Geist aufgegeben zu haben. Jul zog sich Schritt für Schritt zurück, folgte dem Geräusch der Waffe. Schimmerndes Blut tränkte inzwischen die weiße Kleidung seiner Gegner, doch auch in Juls Fleisch bissen schmerzhafte Treffer. Ununterbrochen prasselten Schläge auf ihn ein. Er wich aus, parierte, schickte das blaue, heilende Glühen durch seinen Körper. Sein Herz pochte laut, sein Atem ging schnell. Er versuchte, sich ganz auf den Moment zu konzentrieren, alles ringsum zu vergessen, wie er es auf der Jagd nach Dämonen tat. Doch seine Gedanken wollten nicht schweigen. Am Krater war er mit der Sorge um Karin und Amanda beschäftigt gewesen. Nun aber lenkte ihn nichts davon ab, dass er gegen seinesgleichen kämpfte. Dass er sie schwer verletzen oder töten musste, um diese Nacht zu überleben.
Jul strauchelte.
Mit einem triumphierenden Schrei sprangen seine Gegner vor – und hielten inne, als wären sie gegen eine Wand geprallt. Eine unsichtbare Kraft drückte sie von Jul fort, den Weg zurück, den sie gekommen waren. Flügel aus Licht entfalteten sich. Federn stoben, als ihre Besitzer sich mit aller Kraft gegen das stemmten, was sie zurücktrieb.
»Krätschmer hält Michael unter Sperrfeuer.« Amandas Stimme erklang dicht hinter Jul, angespannt und drängend, konzentriert, aber verhältnismäßig ruhig. Griff sie etwa bewusst auf ihre Kräfte zu? Es bestand kein Zweifel, dass sie es war, die die Engel zurückschob. »Aber ich weiß nicht, wie lange er das noch schafft. Wir müssen hier weg.«
»Zum Museum.« Jul wandte sich um. Mündungsfeuer und blaue Flammen tauchten die Szenerie vor ihm in unwirkliches Licht. In eben diesem Moment stürmte Michael auf Krätschmer zu, achtete nicht auf die Kugeln, die an seinem Kopf vorüberzischten oder in sein Fleisch schlugen. Er breitete die Flügel halb aus und sprang, die von Feuer umspielte Klinge vor sich ausgestreckt. Fluchend warf sich der Dämonendiener zur Seite. Er rollte ab, kam in derselben Bewegung wieder auf die Füße. Sofort legte er erneut auf den Erzengel an, und ungezielte Schüsse rissen Splitter aus dem Asphalt.
Jul nutzte die Gelegenheit. Er schob das Schwert in seine Scheide zurück, ergriff Amandas Hand und zog sie an Michael vorbei. Im Rennen gab
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