Aeternus - Eisiger Kuss: Roman (German Edition)
sich der Hund und wich widerstrebend von Viktors Seite. Oberon führte ihn weg, damit die Polizisten die Leiche fotografieren konnten.
Oberon brachte den Hund zu Antoinette. Cerberus sah mehrmals wachsam von ihr zu den Pathologen und lehnte sich endlich gegen Antoinettes Seite. Anscheinend brauchte er sie in diesem Augenblick ebenso sehr wie sie ihn.
Das war der zweite Mord, den sie innerhalb einer Woche gesehen hatte. Und auch wenn der Tod ihr Geschäft war, so war sie doch für gewöhnlich diejenige, die ihn kontrollierte.
◀ ▶
Oberon sah Antoinette an. Sie war blass und kauerte sich hinter dem Krankenwagen in ihr Laken, während der große Hund ihr die Schnauze in den Schoß gelegt hatte. Einer der Sanitäter bot ihr eine Thermostasse mit Kaffee an, und sie lächelte dankbar und legte die zitternden Hände darum.
Die selbstsichere Frau, die er bei ihrer ersten Begegnung getroffen hatte, schien weit weg zu sein. Immer wenn sie zu der Leiche hinübersah, überzog sich ihr Gesicht mit nackter, vernichtender Trauer. Und jedes Mal, wenn sie diesen Blick hatte, wimmerte der Hund mitfühlend. Es war ungewöhnlich, dass ein Mensch in einer so engen Verbindung zu einem Tier stand, und dabei gehörte es ihr nicht einmal.
Er war in der Gegend gewesen und hatte die Hurentreffs nach weiteren vermissten Mädchen abgesucht, als sein Partner Dylan ihm die Nachricht von Viktors Ermordung überbracht hatte. Sie arbeiteten zusammen; Dylan hörte den Polizeifunk ab, und Oberon ging auf Streife.
Er hatte nur einen kurzen Blick auf diese Angelegenheit werfen wollen. Viktors Hund hob das Ohr und sahOberon mit seinen großen, blassblauen Augen an, und auch Antoinette hatte den Blick auf ihn gerichtet, während sie weiterhin den Hund kraulte.
»Ist alles in Ordnung mit Ihnen?«, fragte er.
Sie nickte, schüttelte dann den Kopf, holte tief Luft und nickte erneut. »Ja, vielen Dank.«
»Gut.« Das Mädchen war völlig am Ende. »Wo ist Christian?«
Sie brauchte eine Sekunde, um sich zusammenzureißen. »Ich weiß es nicht. Er ist einfach verschwunden. Vermutlich ist er dem Mörder auf der Spur.«
Oberon mochte bisweilen ein gefühlloser Bastard sein, aber er wusste, wie es war, einen Partner und Freund zu verlieren. Der Bluttrinker tat ihm leid.
Er zog eine Packung Zigaretten aus seiner Tasche und schüttelte eine heraus. »Was haben Sie eigentlich heute Nacht hier gemacht?«
Er zog den Tabakrauch tief in die Lunge. Ah – das tut gut. Dann blies er den Rauch wieder aus und füllte seine Lunge mit einer frischen Dosis Nikotin und Gift. Dank seiner paramenschlichen Konstitution brauchte er sich im Gegensatz zu den armen Menschlein keine Sorgen um Lungenkrebs zu machen.
»Er hat Sie einfach hier zurückgelassen – finden Sie das nicht merkwürdig?«
»Nein. Als Viktor gestorben ist …« Sie biss sich auf die Unterlippe, und ihre Augen füllten sich mit Tränen.
Oberon wusste nicht, wer erstaunter über ihre Tränen war: er oder sie selbst. Er sah sich nach jemandem um, der sich um sie hätte kümmern können, aber alle waren beschäftigt. Mit weinenden Frauen hatte er noch nie viel anfangen können.
Als er sie verhört hatte, hatte sie keine einzige Träne vergossen. Sie war vernünftig und wütend gewesen undkeineswegs der Hysterie nahe, so wie jetzt. Vernünftig und wütend – damit kann ich umgehen. Da wusste er, welche Knöpfe er zu drücken hatte.
»Beruhigen Sie sich. Sie waren schließlich nicht die Geliebte dieses Bluttrinkers …«
Etwas prallte gegen seinen Mund und drückte ihm die platzende Lippe gegen die Zähne, und dabei hatte er nicht einmal gesehen, wie Antoinette aufgestanden war. Ein kupferiger Geschmack erfüllte seinen Mund. Er drehte den Kopf zur Seite und spuckte blutigen Speichel aus.
»Seien Sie gefälligst etwas respektvoller. Ich habe gerade einen Freund verloren.« Sie funkelte ihn an und schüttelte die Faust aus. Der Hund stand nun neben ihr. Sein Fell hatte sich gesträubt, und er knurrte warnend. Die Tränen versiegten genauso schnell, wie sie gekommen waren, und Antoinette trocknete sich die Augen mit einem Zipfel der Decke, die über ihren Schultern lag.
»Tut mir leid«, sagte sie. »Aber Sie haben es sich selbst zuzuschreiben.«
Oberon zuckte mit den Schultern und wischte sich den Mund ab. »Vermutlich.« Für ein so zartes Ding hatte sie einen mächtigen Haken.
»Ich weiß nicht, wohin Christian gegangen ist oder warum er sich aus dem Staub gemacht hat. Ich vermute, er
Weitere Kostenlose Bücher