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Aetherhertz

Aetherhertz

Titel: Aetherhertz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anja Bagus
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würde, was er für sie bedeutete. Mit ihrer forschenden linken Hand hatte sie in seiner Hand so viele Möglichkeiten gefunden, dass ihr für einen kurzen Moment ganz schwindelig geworden war.
    Sie hatte erkannt, was er war: Ein Schatz, ein Hort, übervoll mit Wundern und Reichtümern, und die Türen standen weit offen für sie, sie brauchte nur zuzugreifen.
    Sie schlug die Decke wieder zurück über das Bett, strich kurz darüber und blickte sich um. Hier schienen alle Gegenstände „Papa!“ zu rufen. Die Bücher warteten darauf, von ihm aufgeschlagen zu werden, die Füllfederhalter auf dem Tisch wollten seine Gedanken aufzeichnen, seine Pantoffeln wollten seine Füße wärmen. Aber sie mussten warten. Paul sollte einen eigenen Platz bekommen. Es schien richtig.
    Sie verschloss die Tür und betrat eines der Gästezimmer, um dort ein Feuer für ihn anzuzünden.
     
    * * *
     
    Paul hatte am Abend noch lange keine Ruhe gefunden. Nachdem sie etwas gegessen hatten, wollte Annabelle wieder schlafen. Er selbst war noch durch das Haus gewandert. Vor Annabelle hatte er sich seine Rastlosigkeit nicht anmerken lassen wollen, aber er hatte das Gefühl, es war ihm nicht geglückt. Das Haus war nur ganz allmählich warm geworden, und als er schließlich in sein Zimmer gegangen war, hatte er die Kohlen noch einmal geschürt und weiteres Holz aufgelegt.
    Er hatte ein schlichtes Gästezimmer bekommen und das war ihm recht. Annabelle hatte ihm lange und umständlich erklärt, warum sie sich dagegen entschieden hatte, ihn im Zimmer ihres Vaters einzuquartieren. Es schien ihr sehr wichtig, und er hoffte, dass sie ihn nun nicht mehr so oft mit ihm verwechselte.
    Je mehr er über Annabelles Vater lernte, desto schwieriger wurde es für ihn, sich eine klare Meinung zu bilden. Zu Beginn war er überwältigt und begeistert von dieser Persönlichkeit gewesen. Der Professor war auf vielen Gebieten tätig, weit gereist und wurde von Dr. Burger enthusiastisch als Freund in vielen aufregenden Situationen beschrieben. Andererseits hatte er sich und seine kleine Tochter oft in Gefahr begeben. Er hatte sie ohne Mutter aufwachsen lassen; die Konsequenzen dessen konnte Paul nicht ermessen. Annabelle hatte den Professor auf vielen Reisen begleitet, aber selten jemanden gehabt, dem sie sich anvertrauen konnte. Seine Tochter hatte ihn bedingungslos geliebt, aber jetzt, wo sie ihn brauchte, war er nicht da.
    Irgendwann am frühen Morgen gestand Paul sich ein, dass er wahrscheinlich auch verärgert war, weil alles so kompliziert war. Hätte es nicht normal und einfach sein können? Man lernt eine junge Dame kennen – und mit Glück lieben –, vollführt die entsprechenden gesellschaftlichen Rituale, heiratet schließlich, bekommt ein paar Kinder, wird alt und stirbt. Ohne Skandale, Morde und Tragödien. Ohne Tote und Verdorbene.
    Verdammt! Genau da biss sich doch die Katze in den Schwanz: Nur wer die Augen zu machte, erkannte nicht, dass die Welt sich so sehr verändert hatte, dass die Menschen sich ihrerseits bemühen mussten, damit umzugehen. So unkonventionell Annabelle auch war, es war Teil dessen, was ihn an ihr anzog. Sie schwamm auf dem Kamm der Welle dieser Veränderungen, und er hatte versucht, sich zu verstecken. Aber es gab kein Versteck, der Æther würde sie alle irgendwie verändern. Es war jetzt wichtig, den richtigen Weg zu gehen.
     
    * * *
     
    „ Herr Hartmann, hier möchte Sie jemand sprechen“, sagte Frau Meier.
    Walter Hartmann sah von den erfreulichen Zahlen in seiner Buchhaltung hoch.
    „ Wer ist es denn?“
    „ Er sagt mir seinen Namen nicht. Und mit Verlaub, er sieht nicht vertrauenswürdig aus.“
    „ Dann schicken Sie ihn weg.“
    „ Er sagt, ich soll sagen, es geht um die schöne Anna.“
    Walter Hartmann spitzte die Ohren: “Na dann, zeigen Sie dem Mann den Weg.“
    Sichtlich verwirrt führte Frau Meier kurze Zeit später einen kleinen verstrubbelten Mann mit unglaublichem Überbiss in sein Büro. Der Kerl hatte einen schmuddeligen Anzug an und knetete eine speckige Mütze in seinen derben Händen.
    „ Tach“, grüßte er.
    „ Einen guten Tag Ihnen auch.“ Walter Hartmann verstand nicht, wie der Franzose es immer wieder schaffte, ihm die widerwärtigsten Subjekte als Botenjungen zu schicken. Aber das war Teil ihrer komplizierten Beziehung: Sie piesackten sich ständig, und der andere durfte sich nichts anmerken lassen.
    „ Ich soll ausrichten, dass die schöne Anna nich mehr in der Stadt ist“, nuschelte der

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