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Aetherhertz

Aetherhertz

Titel: Aetherhertz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anja Bagus
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nicht nur die Hand. Paul, sie haben mich in Æther getunkt, in eine Wanne voller Æther und er ist in meinen Mund und meine Ohren und in jede Pore meiner Haut gedrungen.“ Sie schauderte und zog den dünnen Mantel enger um sich. Paul stand auf und holte eine Wolldecke, die er ihr umlegte.
    „ Jetzt fühle ich mich anders. Ich weiß, wo wir sind, und wer du bist – und gleichzeitig weiß ich es nicht, denn es gibt da noch so viel mehr!“ Sie gestikulierte wild.
    Paul wartete wieder geduldig, obwohl er tausend Fragen hatte.
    „ Ich fühle mich, als wäre die Welt ein Kartenspiel, und ich hätte bisher nur eine Karte gekannt. Und nun spüre ich, das da noch mehr Karten sind, über mir und unter mir, und ich könnte sie erkennen, wenn ich wollte. Aber ich habe Angst. Denn da gibt es auch Schatten, dunkle Karten.“
    In Paul brodelte es. Er hatte bis jetzt gedacht, er habe es nur mit einer grünen Hand zu tun, einem Makel, einer Kleinigkeit, die er bereit war zu übersehen. Doch nun wurde ihm bewusst, dass er es sich zu leicht gemacht hatte. Niemand konnte voraussehen, was mit jemandem passierte, den man so behandelte. Es war durchaus möglich, dass mit Annabelle etwas Schlimmeres passieren konnte, als er bis jetzt vermutet hatte.
    Sie drehte sich zu ihm: „Ich muss zur Quelle.“
    „ Jetzt?“, fragte er überrascht.
    Sie nickte, dann lächelte sie. Sie berührte ihn sanft mit der linken Hand. Paul sah die Hand an und verfluchte sich. Es war schwieriger als gedacht, dieses so fremd aussehende Gliedmaß zu akzeptieren.
    „ Auch ohne das zu spüren, hätte ich gewusst, dass du Hunger hast.“ Sie stand auf.
    „ Du nicht?“ Er war von dem plötzlichen Stimmungswechsel überrumpelt.
    Sie lachte: „Oh doch. Ich schau mal, was wir da haben. So viel Zeit habe ich noch.“
    Als wäre ein Bann gebrochen fing sie an zu plappern. Von der Genger Rosi, die sicher im Laufe des Tages auftauchen würde, oder vielleicht würde sie ja ihren Sohn schicken, den Fritz, mit dem Annabelle früher manchmal gespielt hatte. Oder ihre Tochter, die Liese, aber die war immer so ein Angsthase gewesen; irgend jemand würde auf jeden Fall etwas zu essen vorbei bringen. Und man müsse ja auch noch die Pferde füttern, oder sollten die lieber auf die Wiese? Es war kalt, war es zu kalt? Hatten die Pferde schon genug Winterfell? Aber Oberon würde den Stall kurz und klein schlagen, wenn man ihn nicht rausließe ... oh, und hier fanden sich einige Sachen, mal sehen, getrocknete Erbsen und Linsen, die dauern zu lange ...
    Paul ging ihr nach und war erstaunt. Sie schien wieder in einer ganz anderen Welt zu sein, jünger und sorgenfrei. Wie ein Wirbelwind. Sie fand in einer Ecke alten Zwieback und eine Dose Ölsardinen. Jetzt erst wachte Paul so richtig auf und erinnerte sich, dass Frau Barbara ihnen einen Korb voller Essen mitgegeben hatte. Er holte ihn und präsentierte frisches Brot, Wurst und Käse. Annabelle lachte, und wollte trotzdem unbedingt die Ölsardinen essen. Den Zwieback überließen sie reuelos der Madenzivilisation, die dort seit geraumer Zeit ihre Brutstätte hatte.
    Aber es gab Kaffee! Und so frühstückten sie, versorgten danach alle Öfen und machten sich fertig. Pauls Einwand, doch auf jemanden mit dem Nachnamen Genger zu warten, ließ Annabelle nicht gelten. „Die wissen, was wir brauchen und haben einen Schlüssel.“ Dann rannte sie los, in den Wald, und er konnte nicht anders, als ihr zu folgen.
     
    * * *
     
    Annabelle rannte durch den Wald. Zweige streiften ihre Wangen und rissen ihr Haare aus dem Zopf, den sie sich gemacht hatte. Sie kannte den Weg, sie hätte ihn blind laufen können. Es waren nur Trampelpfade, kaum sichtbar, von Hufen und Klauen gemacht. Die Tiere, die diese Pfade machten, waren kleiner als Menschen, weshalb sie sich immer wieder ducken musste, um nicht gegen Äste zu laufen. Sie genoss das Geräusch der Blätter unter ihren Füßen, den Wind in ihren Ohren und den federnden Waldboden. Die kalte Luft trieb ihr Tränen in die Augen, aber sie wischte sie nicht weg. Sie hatte keine Handschuhe an und fühlte mit ihren linken Fingern eine Spannung in der Atmosphäre. Immer wieder wischte sie mit der Hand vor sich etwas weg, etwas Unsichtbares, das aber wie ein Gazevorhang ihren Weg behinderte.
    Sie lief langsamer und blieb schließlich kurz stehen, um sich umzusehen. Am Rande ihrer Wahrnehmung bemerkte sie Paul, der ihr in einiger Entfernung folgte. Es schien aber, als wäre er nur ein plattes

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