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Aetherhertz

Aetherhertz

Titel: Aetherhertz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anja Bagus
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eine Luftveränderung bekommt. Ich versichere Ihnen, ich habe die allerbesten Absichten.“
    Er wusste nicht, warum er sich vor der Frau rechtfertigte, aber es freute ihn, dass sich jemand kümmerte.
    Rosi lachte und legte ihm die Hand auf den Arm.
    „ Ja, das glaube ich Ihnen. Es isch ja auch nicht so, als ob wir nicht schon immer sehr Ungewöhnliches vom Professor und Annabelle zu erwarten hatten.“ Entweder sprach sie jetzt Hochdeutsch, oder er hatte sich an den Dialekt gewöhnt und hörte ihn nicht mehr.
    Schwere Schritte kündigten das Nahen des Sohnes an. Fritz blieb in der Küchentür stehen.
    „ Sie isch nit do. Wer weiß, wo die isch. Aber im See isch sie nit. Das schwarze Pferd isch unruhig.“
    „ Wir müssen los“, sagte Rosi. „Erschrecken Sie sich nicht, wenn der Gruber Willi vorbeikommt. Der isch der Jäger hier und ich richt ihm aus, er soll vorbei kommen. Der hat einen guten Hund. Der findet sie. Und im See gibts Forellen. Angeln müssten auch hier sein. Ich schick den Fritz in drei Tagen noch mal vorbei. Richtens dem Fräulein gute Besserung aus.“
    Sie spülte noch schnell das Geschirr, dann rumpelte die Kutsche wieder vom Hof.
     
    Am späten Nachmittag war Annabelle immer noch nicht da. Paul konnte sich nur mühsam fortbewegen. Er hatte sich eine Krücke gebaut und verbrachte die meiste Zeit in dem Sessel und las. Zwischendurch beobachtete er Oberon, der immer noch witternd am Zaun auf und ab trabte. Sissi lag zu seinen Füssen, hob ab und zu den Kopf und winselte leise.
    Der Jäger war gekommen und mit einem eifrig hechelnden Hund wieder verschwunden.
    Paul zermarterte sich den Kopf, ob er irgendetwas Sinnvolles tun könnte, aber es fiel ihm nichts ein. Er fing an, sein Käuzchen auf dem Tisch im Wohnzimmer zu untersuchen. Er war sehr zufrieden damit. Er hatte lange gebraucht, um es zum Fliegen zu bekommen. Nur die echten Federn störten ihn noch. Es musste doch gehen, den Æther in ein Spannungsfeld zu legen, das Flügel simulierte ... vielleicht, wenn er den Strom an Drähten entlang führte ... Er schaute sich nach Papier und Stift um.
    Als er den Schreibtisch von Professor Rosenherz untersuchte, fand er in der oberen Schublade einen Umschlag: „ Im Falle meines Todes zu öffnen “. Er legte ihn auf die Tischplatte. Das konnte er jetzt nicht gebrauchen. Was sollte er tun?
    Es war eine riesige Verantwortung, die er übernommen hatte. Sie stülpte sich über ihn wie eine schwere Decke, die ihn zu ersticken drohte. Jetzt, wo er hier saß, an einem für ihn fremden Ort, zur Untätigkeit gezwungen, kam es ihm unmöglich vor. Er hatte sich in seinem Leben selten aktiv für etwas engagiert. Das war immer mehr das Ding seines Bruders gewesen. Natürlich hatte er Verantwortung übernommen und sein Leben im Griff gehabt. Aber sich noch für andere, oder eine größere Sache zu engagieren – nein, lieber nicht. Seine Mutter hatte ihn nicht wirklich gegängelt, aber er fühlte immer ein unsichtbares Band, das ihn einengte, seinen Radius verkleinerte, und nun wurde ihm klar, das er doch für jemand anderen Verantwortung übernommen hatte, nämlich für sie. Er war ihr „kleiner Mann“ gewesen, immer an ihrer Seite. Oft tatsächlich statt seines Vaters, der lieber mit Friedrich vorging. Er hatte ihre Traurigkeit aufgefangen und so konnte sie sich lange mit ihren Befindlichkeiten bei ihm abreagieren. Da er aber nichts mit diesen Empfindungen anfangen konnte, war er stumpf dagegen geworden. Er hatte später auch die jungen Damen, die ihm zugeführt wurden, mit der gleichen Gleichgültigkeit wahrgenommen. Das Geplapper, die chaotischen Emotionen, die Sprunghaftigkeit und leider auch die Oberflächlichkeit des Denkens der Mädchen zog an ihm vorbei, während er sich innerlich mit etwas Anderem beschäftigte.
    Erst Annabelle hatte diesen Panzer durchbrochen. Sie war so anders: aktiv, intelligent, unabhängig, voller Ideen und Initiative und gleichzeitig so anziehend, duftend, körperlich und lebendig. Er dachte an seine Beteuerungen der Bäuerin gegenüber und spürte, dass er in Schwierigkeiten war. Die Anziehungskraft, die er spürte, war gewaltig. Wenn sie jetzt hier wäre, dann könnte er sie in seine Arme nehmen und festhalten, beschützen und …..
    Aber sie war nicht hier. Paul sah nach draußen. Es wurde dunkel. Es war die Stunde der Dämmerung, wo man sich noch nicht in den Fensterscheiben sah, wenn man herausschaute, aber auch nicht mehr alles erkennen konnte. Er nahm seine Krücke,

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