Aetherhertz
Oberfläche zu bringen. Eine Strömung trieb sie erbarmungslos fort.
„ Du stirbst nicht“, sagte die Stimme beruhigend. „Du kannst hier nicht sterben. Aber du wirst auch nicht gesund werden, wenn du nicht loslässt.“
Annabelle öffnete die Augen. Sie wusste, dass sie noch unter Wasser war. Vor sich sah sie einen braunen Kreis. Als sie genauer hinsah, war es der Otter, der mühelose Kreise unter Wasser schwamm. So schwerelos, so elegant. Kleine Luftbläschen lösten sich aus seinem Fell und mit kaum sichtbaren Bewegungen seiner Beine und seines Schwanzes katapultierte er sich vorwärts, linksherum, rechtsherum, schwebend.
Wie hypnotisiert beobachtete sie dieses Ballett und wünschte sich, sich auch so bewegen zu können. Aber ihr Körper war eine Last, ihre Kleidung schnürte sie ein und hinderte sie an der Fortbewegung. Einzig ihre linke Hand fühlte sich richtig an. Sie drehte und wendete sich, aber es gelang ihr nicht, dem Otter zu folgen.
Ihr wurde übel. Sie spürte einen unglaublichen Druck in ihrem Bauch und würgte. Sie wehrte sich, nein, nicht! Sie wollte es nicht, aber es drängte nach oben, sie bekam keine Luft, erstickte fast und erbrach schließlich schluchzend eine grüne Kugel.
Der Otter, der wieder eine Frau war, fing die Kugel auf. Plötzlich konnte Annabelle atmen. Sie konnte sich bewegen. Es war, als ob das Wasser sie stützte, ihr half, zu schweben und sich zu entspannen. Sie trieb auf dem Wasser und atmete tief und langsam aus und ein.
Als sie die Augen wieder öffnete, schien viel Zeit vergangen. Es war dunkel. Sie lag am Ufer des Baches in einer engen Kurve. Das Wasser hatte dort eine kleine Kuhle ausgewaschen, in der sie lag und die Gräser kitzelten ihr Gesicht. Sie richtete sich auf und Wasser rann ihr aus den Haaren in die Augen. Sie blinzelte. Am Ufer lag die Kugel, und in der Dunkelheit leuchtete sie grün, wie solider Æther. Annabelle krabbelte aus dem Wasser, und betrachtete sie. Irgendetwas an der Kugel stieß sie ab, sie konnte aber nicht sagen, was. Sie sah sich um. Am anderen Ufer stand die Otterfrau und betrachtete Annabelle mit einem unergründlichen Gesichtsausdruck.
„ Das war deine Wahl“, sagte sie leidenschaftslos.
Annabelle schüttelte den Kopf: “Was für eine Wahl?“
„ Nun, du hättest dich auch dafür entscheiden können.“
„ Für was? Ich verstehe nicht!“
„ Du hättest den Æther in dich aufnehmen können. Dann wärst du eine von uns geworden. Nein – ich muss mich berichtigen: Du wärst zwar eine Nymphe geworden, aber nicht wie ich. Dieser Æther ist verschmutzt. Wo auch immer er her ist, du wärst etwas Modriges, Verdorbenes und Schlechtes geworden.“
Annabelle erschrak: Auch hier gab es Verdorbenes!
„ Ich gab dir die Wahl. Nun liegt es an dir, was du daraus machst.“ Die Frau warf ihr etwas zu, und während Annabelle sich bemühte es zu fangen, verwandelte die Frau sich in den Otter und sprang ins Wasser. Nur ein paar Ringe verrieten noch, wo sie eingetaucht war, dann hatte die Strömung auch diese verwirbelt.
Annabelle erkannte, dass sie ihre Geode gefangen hatte. Mit der Ætherkugel in der rechten und dem Kristallei in der linken Hand stand sie auf und machte sich auf die Suche nach Paul. Sie ging ein paar Schritte und fühlte sich seltsam, als ob sie durch einen Widerstand ging.
Plötzlich riss kalter Wind an ihr, und sie fror sofort entsetzlich. Ihre Haare und Kleider waren nass und schwer. Ihre Augen tränten, sie konnte kaum sehen, und es wurde auch schon dunkel. Sie tastete sich Schritt für Schritt vorwärts, und erahnte den Weg nur. Wenn sie nur nicht so müde wäre! Sie stolperte und ging in die Knie, aber dann rappelte sie sich wieder auf. Es war so kalt! Ihre Zähne klapperten, sie rutschte aus, und fiel ins eisige Wasser.
Während ihr Bewusstsein langsam wegtrieb wie ihre Haare in der Strömung, spürte sie eine Präsenz um sich, dann wurde sie getragen, von tausend Händen und verlor endgültig die Besinnung.
* * *
Paul war Annabelle unter Schwierigkeiten gefolgt. Sie hatte sich durch den Wald bewegt, als gäbe es dort Straßen und er hatte Mühe gehabt, sie nicht aus den Augen zu verlieren. Trotzdem es früher Vormittag war, war es düster im Wald. Die hohen Tannen ließen nur wenig Licht durch.
Sie liefen bergauf, wanden sich an mannsgroßen moosbewachsenen Felsen vorbei und kletterten über gefallene Bäume.
Als er Annabelle endlich einholte, fand er sie an einer Quelle. Das Wasser sprudelte
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