Aetherhertz
Fall war sie nass, und es war kalt.
Hier im Zimmer war es warm, und Paul erinnerte sich daran, nach den Öfen zu sehen. Er war gerade dabei, den Holzkorb am Stapel hinter dem Haus zu füllen, als er Hufgetrappel und die Geräusche von metallbeschlagenen Holzrädern auf Stein vernahm. Er humpelte nach vorne und erblickte einen offenen Wagen mit einem dampfenden Pferd vorgespannt.
Ein junger Mann deckte das Pferd zu und eine Frau mittleren Alters entlud gerade einige Körbe und Säcke. Als sie ihn erblickte, lächelte die Frau. Sie hatte ein gemustertes Kopftuch über ihren Haaren und rote Backen. Einige blonde Strähnen hatten sich gelöst, und sie wischte sie mit einer uneitlen Bewegung aus dem Gesicht.
„ Ich bin die Genger Rosi“, stellte sie sich vor. Sie kam mit ausgestreckter Hand auf ihn zu, dann sagte sie „Oh“, und wischte sich die Hände an ihrer Schürze ab. Paul stellte den Holzkorb ab und schüttelte ihre Hand.
„ Paul Falkenberg“, stellte er sich vor.
„ Des is mein Jüngster“, sie zeigte auf den Burschen. „Der Fritz.“ Sie lächelte ihn wieder freundlich an. „Und sie sin der Verlobte vom Fräulein?“ Das war direkt.
Paul nickte etwas verlegen.
„ Na, des isch emol eine gscheite Nachricht. Mir hen uns alle gfreut, als mer des geschtern vom Robert ghert hen.“
Auweia, das Alemannische des Hochschwarzwalds unterschied sich doch sehr von dem, was er in Baden-Baden hörte. Paul konzentrierte sich.
„ Wo ischs denn, des Fräulein Rosenherz? Und wo isch der Professor?“
Während Paul der Frau versuchte zu erklären, dass der Professor nicht da und Annabelle auf einem Spaziergang war, räumte Fritz alle Vorräte kundig weg. Seine Mutter erkannte sofort, dass Paul humpelte, und befahl ihrem Sohn, den Holzkorb ins Haus zu tragen.
„ Mach emol alles voll“, wies sie ihn an, dann machte sie sich selbst in der Küche zu schaffen. Paul kam sich unnütz vor und folgte ihr.
„ Ja, s`Fräulein war schon immer ein Derwisch“, erzählte Rosi, während sie die Körbe und Säcke auspackte. Eier und Käse, Würste und ein riesiges Stück Schinken verschwanden in der Kühlkammer. Kartoffeln, Äpfel, Gläser mit Eingemachtem folgten.
„ Der Professor hat sie ja auch immer einfach laufe lasse. Die kennt sich besser aus in dem Wald als mancher Jäger.“
“ Sie ist gerade im Wald. Ich mache mir Sorgen um sie. Wir waren gemeinsam unterwegs, und plötzlich ist sie verschwunden. Ich habe mir den Fuß verdreht und konnte ihr nicht folgen“, gab Paul zu.
“ Soll ich den Fritz schicken, sie zu suchen?“
“ Das wäre wunderbar. Wir waren an einer Quelle …“
“ Der Fritz kennt sich aus. Wartens hier.“
Sie kam kurz danach zurück und versicherte ihm, dass Fritz einmal um den See reiten würde.
“ Der findet sie bestimmt. Als sie klein war hat sie sich auch immer versteggelt. Sie het geheime Plätze überall im Wald ghet. Manch emol isch sie auch bi uns bliebe, wenn sie nit mehr heim hat wolle. Nach Baden-Baden. Sie war lieber hier.“
Paul nickte. Es tat gut, einfach so zuzuhören. Die Frau strahlte so viel Ruhe und gleichzeitige Kompetenz aus. Er lehnte sich zurück und wie von Zauberhand erschienen vor ihm ein Kaffee und Gebäck.
„ Wann heiratens denn?“ Jetzt wurde Rosi neugierig. Sie setzte sich zu ihm.
Paul schüttelte den Kopf. „Wir haben noch keinen Termin.“
Rosi zog die Augenbrauen hoch. Paul spürte, dass sie es jetzt unbehaglich fand. Schließlich war es nicht schicklich, allein und nicht verheiratet in einem Ferienhaus zu wohnen.
„ Annabelle geht es nicht gut“, vertraute er ihr an. „Sie brauchte einen Tapetenwechsel.“
„ Und was isch mit der Frau Barbara?“
„ Wir sind überstürzt abgereist. Sie kümmert sich noch um das Haus in Baden-Baden und kommt dann nach.“
In Rosi gärte es. Dann fasste sie sich ein Herz und flüsterte: “Aber Annabelle isch doch nit ... Sie wissen schon ... sie hen doch nit ...“
Paul war begriffsstutzig.
„ Müsset sie heirate oder wollet sie heirate?“ Jetzt war es deutlicher.
„ Nein!“, wehrte Paul ab. Er lachte kurz auf, obwohl er es eigentlich nicht lustig fand.
Rosi lehnte sich erleichtert seufzend zurück. Sie sah ihn erwartungsvoll an.
Paul schloss kurz die Augen. Die Frau verdiente eine Erklärung.
„ Der Professor ist seit über einem Jahr verschwunden. Nun soll er für tot erklärt werden. Das war alles sehr viel für Annabelle. Sie wurde krank. Wir hielten es für das Beste, wenn sie schnell
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