Aetherhertz
merkwürdig angesehen, das hatte er bemerkt.
„ Aha.“ Er grübelte: Vielleicht hatte sie ihm einen Hinweis gegeben? Wollte Sie, dass er ihr ein Kompliment machte? Während Frau Barbara ihnen einen Teller Königsberger Klopse servierte, betrachtete er Annabelle: Sie hatte ein schlichtes grünes Alltagskostüm an, dem man die gute Qualität des Stoffes ansah. Es war nur sparsam verziert und die Farbe unterstrich ihre grünen Augen. Viel mehr als ihre Kleidung gefiel ihm allerdings ihr Haar. Sie hatte wunderschön glänzende braune Haare mit leicht rötlichen Reflexen, dass locker aufgesteckt war. Ein paar Strähnen ringelten sich an ihrer Schläfe, und er hätte sie gerne berührt, um zu fühlen, ob sie so seidig waren, wie sie aussahen.
„ Sie sehen bezaubernd aus.“ Er meinte es zwar wirklich so, aber dennoch hörte sich der Satz gerade unpassend an, und sie war überrascht.
„ Nein! Ich meine … danke ...“, stammelte sie. „Ich meinte aber nicht meine Kleidung. Es geht um meine Arbeit.“
„ Was arbeiten Sie denn?“
„ Ich bin Assistentin im pathologischen Institut von Professor Schmidt.“
„ Sie sind medizinisch ausgebildet?“ Das beeindruckte ihn. Er hatte das Studium der Medizin auch angedacht, sich dann aber anders entschieden.
„ Naja, so könnte man es ausdrücken. Ich habe mir vieles selbst beigebracht.“ Sie war stolz aber auch ein wenig unsicher und er merkte, das sie auf eine Reaktion wartete. Für die meisten Männer war das der Zeitpunkt, milde zu lächeln über das Fräulein, das gerne Bücher liest, aber Paul sagte nickend: „Beeindruckend. Die Medizin ist ein interessantes Studienfach. Ich wünschte mir, man würde mehr über die Wirkung von Æther auf den Menschen erforschen.“
Annabelle nickte erfreut: „Ja, niemand weiß genau, wie er wirkt, und vor allem, wie man sich davor schützen kann.“
„ Æther ist überhaupt ein spannender Stoff. Man könnte so viele Dinge machen – nützliche Dinge. Kennen Sie die Forschungen von Tesla?“
„ Ja, aber Tesla arbeitet doch mit Elektrizität?“ Annabelle sagte das fast ängstlich.
Paul nickte wieder: „Aber seine Forschungen waren Grundlagen für den Umgang mit Æther um damit Luftschiffe anzutreiben. Und auch für die moderne Waffentechnik. Er ist aber ein Spinner und macht aberwitzige Experimente. Er wird sich eines Tages selbst in die Luft jagen. Strom und Æther sind eine gefährliche Kombination und ich wünschte mir, man würde damit vorsichtiger umgehen.“
„ Aber was würden wir denn ohne Luftschiffe machen? Auf den Flüssen kann man nicht mehr fahren. Und unsere Polizei arbeitet doch sehr effektiv mit den neuen Waffen“, gab Annabelle zu bedenken.
„ Ja, das stimmt”, sagte Paul nachdenklich. „Mein Bruder Friedrich ist ein »Blitzmann«.“
Die Spezialtruppe der Schutzpolizei war fähig, Ætherblitze zu verschießen. Sie sahen sehr furchterregend aus, mit ihren großen Rucksäcken, in denen die Kondensatoren untergebracht waren. Ihr rechter Arm war in ein Metallgestell eingepasst, das den Æther mit Hilfe von Elektrizität bündelte und als Blitz verschießen konnte.
„ Das ist ein sehr gefährlicher Beruf!“, sagte Annabelle.
„ Ja, aber es macht ihn bei der Damenwelt sehr beliebt.“ Paul wusste, dass viele Frauen für die Draufgänger schwärmten, die sich einem solchen Risiko aussetzten.
„ Ich finde solchen Mut nicht beeindruckend. Man muss nicht viel Grips haben, um so etwas zu tun. Ich bevorzuge Männer, die viel von der Welt gesehen haben und gebildet sind“, sagte Annabelle und legte ihr Besteck klappernd auf den Teller.
Paul schwieg überrascht und grübelte. Er hatte noch nicht viel von der Welt gesehen. Er hatte viel davon gelesen, aber da er in als Kind oft krank gewesen war, musste er immer mit seiner Mutter und dem Kindermädchen an die Ostsee. Friedrich war mit dem Vater durch Europa gereist. Peter Falkenberg war ein glühender Anhänger der neuen Luftschiffe und reiste mit ihnen so oft es ging.
„ Ich wollte Sie nicht beleidigen“, sagte Annabelle, die Pauls Schweigen wohl missverstand.
„ Das haben Sie nicht. Aber ich bin nun mal kein besonders guter Gesellschafter.“
Sie winkte ab und lächelte: „Ach, mein lieber Papa war auch keiner. Er hätte schamlos weitergelesen und bis auf einen Kuss morgens und abends habe ich oft nicht viel von ihm gehabt.“
Paul betrachtete Annabelle, wie sie zu einem Bild ihres Vaters auf dem Sideboard schaute. Professor Rosenherz stand
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