Aetherhertz
angeschaut. Sie hatte den Verdacht, dass sich die Blütenblätter bewegten, und ganz subtil nach dem Licht ausrichteten, aber immer wenn sie genauer beobachtete, sah sie es nicht mehr.
„ Ich habe sie geliehen bekommen.“
„ Ahh, ich muss auch eine haben. Sind sie teuer?“
„ Ich weiß es nicht. Ich weiß nicht, ob sie zu verkaufen ist.“
„ Annabelle, das ist nicht nett! Ich nehme dich mit zu diesem wahnsinnig wichtigen Ereignis, und du gönnst mir noch nicht einmal ein Schmuckstück?“
„ Das stimmt so nicht, Johanna, aber ich kann darüber nicht entscheiden.“
„ Du hast ein Geheimnis!“ Johanna klatschte erfreut in die Hände. „Hat es mit einem Mann zu tun?“
Annabelle nickte, obwohl ihr klar war, was sie sich damit antat. Sie wusste, was jetzt kam.
„ Annabelle!“, rief Johanna begeistert. „Wer ist es? Nein, verrate es mir noch nicht, ich möchte raten. Mal sehen, wer könnte es sein?“
„ Johanna – “ versuchte Annabelle zu unterbrechen. Aber es war witzlos. Johanna war in voller Fahrt. Den ganzen Weg durch den Kurpark versuchte ihre Freundin zu erraten, mit wem Annabelle eine Romanze hatte, denn das stand für Johanna fest: Nur wer reich und ernsthaft interessiert war, würde so ein Schmuckstück verschenken – keinen Moment lang glaubte sie an eine „Leihgabe“.
Johanna zählte munter sämtliche Junggesellen auf, die sie kannte.
Annabelle überlegte währenddessen, ob Paul Falkenberg in Johannas Augen eine gute Partie wäre. Hatte er nicht von seinem Bruder erzählt, der Blitzmann war? Das würde Johanna beeindrucken.
„ Er ist ein Blitzmann“, sagte Annabelle unüberlegt.
„ Wie aufregend!“, quietschte Johanna. „Wie heißt er denn?“
„ Friedrich Falkenberg.“ Hoffentlich erinnerte sie sich richtig.
„ Erzähl mir alles von ihm! Wie konntest du das nur vor mir geheim halten? Du bist wirklich nicht nett. Wie hast du ihn kennengelernt?“
Annabelle antwortete nicht, denn sie waren angekommen und stiegen aus. Vor dem Kaffeehaus trafen sie einige andere junge Damen, die ebenfalls eingeladen waren. Sofort ging ein großes Gekichere und Geschnattere los und Johanna war in ihrem Element. Annabelle holte tief Luft und lächelte, wie sie hoffte, damenhaft schüchtern.
Augen zu und durch!
* * *
„ Wir sind da!“ Der Kutscher zog die Bremse an und sprang vom Bock, um Paul die Tür der Kabine aufzumachen.
„ Danke“, sagte Paul. „Es wird nicht lange dauern. Sie brauchen nicht auszuspannen.“
Er stieg aus und setzte seinen Hut auf. Bevor er losging, hielt er inne und sah den Weg entlang weiter nach oben in den Schwarzwald hinein. Die hohen dunklen Nadelbäume verschluckten die Abendsonnenstrahlen. Die vereinzelten Laubbäume leuchteten dagegen im herbstlichen bunten Laubkleid. Er holte tief Luft und kostete auf der Zunge die Aromen von Moos und Pilzen, von feuchter Erde, auf der die Tannen- und Fichtennadeln ein weiches Kissen gebildet hatten. Gerne würde er sich aufmachen zu einem Spaziergang in den Wald, aber er war aus einem anderen Grund hier.
Er drehte sich um und ging zu dem großen dreistöckigen Gebäude des Forellenhofes. Es wurde immer noch so genannt, obwohl hier keine Forellen mehr gezüchtet wurden. Seit dem Aufkommen des Æthers wurden die Becken zu anderen Zwecken genutzt. Die Forellen hatten sich zu stark verändert – viele von ihnen waren tatsächlich auf Beinen davon gelaufen, noch bevor man wirklich begriff, was der Æther bewirkte. Einige waren sogar davon geflogen.
Die Becken waren aber hervorragend geeignet, um das Wasser des Oosbachs, der irgendwo in den Höhen des Schwarzwalds entsprang, zu stocken. Der Æther, der dann aufstieg, wurde in kleinen, mit Blei ausgekleideten Fässern gesammelt.
Seit der Erscheinung des Æthers wurde wild daran geforscht, seine Geheimnisse aufzuklären. Niemand begriff ganz, wie Æther funktionierte. Es gab einige Gesetzmäßigkeiten, wie zum Beispiel: Salzwasser produzierte fast keinen Æther. Je mehr Wasser ein Fluss führte und je langsamer er war, umso mehr Æther konnte man fördern. Ganz still durfte das Wasser aber nicht stehen.
Æther wurde auch zuverlässig leichter als Luft, am Besten, wenn man ihn mit erhitztem Dampf mischte, oder mit Strom in einem Feld bündelte. Aber er schien unterschiedlich potent zu sein. Luftschiffer konnten sich nie ganz sicher sein, wie viel Treibstoff sie verbrauchen würden. Das machte das Gewerbe sehr schwierig. Ein guter Luftschiffkapitän behielt
Weitere Kostenlose Bücher