Aetherhertz
erbracht hatte. Als Mitglied im Corps Rhenania Heidelberg hatte er bei Mensuren durchgehend beeindruckt. Der konnte wohl fechten wie der Teufel.
Er war nun auch von dem in Fleisch und Blut anwesenden Mann angenehm überrascht. Paul war zwar zurückhaltend und höflich, aber intelligent und überlegt. Ja, es fehlte ihm das Schneidige, dass viele junge Burschen heutzutage pflegten, viele übertrieben es bis zur Aufschneiderei. Aber Dr. Burger hatte nicht den Eindruck, dass es Paul an männlichen Qualitäten mangelte. Auch körperlich war er wohlgeraten, von angenehmer Größe; er hatte breite Schultern und ein entschlossenes Kinn. Nein, es gab auf den ersten Blick nichts auszusetzen an Paul Falkenberg. Dennoch hatte sein Vater von ihm gesprochen, als wäre er zweite Wahl. Peter Falkenberg zog eindeutig seinen jüngeren Sohn vor.
Dr. Burger beschloss, dem jungen Mann eine Chance zu geben. Gleichzeitig wurde ihm im Laufe des Gespräches bewusst, dass er eigentlich fast keinen Einfluss auf die Situation hatte. Er hatte Annabelles Blicke gesehen, und er spürte auch von Pauls Seite aus Zuneigung. Die Luft zwischen den beiden brannte.
„ Paul, mein Onkel ist begeistert von deiner Blume!“, schmeichelte Annabelle.
„ Sie machen diese Mechanismen selbst?“, fragte Dr. Burger noch einmal nach.
„ Ja. Es ist mein Zeitvertreib.“
„ Interessant. Was ist das Geheimnis?“
„ Wenn ich es verraten würde, wäre es dann noch eins?“, fragte Paul und holte aus seiner Anzugjackentasche eine kleine Metallkugel. Sie war aus Messing und hatte einige Einkerbungen und Knöpfe. Er legte sie vor sich auf den Tisch und griff nach Annabelles rechter Hand, die sie ihm bereitwillig gab. Er zog den Handschuh aus und rieb die Hand kurz zwischen seinen. Er lächelte sie dabei an, und sie nickte erwartungsvoll. Dann tippte sie vorsichtig auf einen der Knöpfe. Die Kugel wackelte hin und her. Dr. Burger dachte kurz an ein Ei im Moment des Schlüpfens, dann schien die Kugel plötzlich zu explodieren und unzählige kleine Nadeln sprangen aus ihrer Hülle. Annabelle zuckte zurück und Paul lachte leise. Er hauchte auf die Stachelkugel und bedeckte sie kurz mit seiner Hand. Als er die Hand wegzog, hatten sich kleine Beine und eine spitze Schnauze geformt. Ein walnussgroßer Igel tapste vorsichtig in Richtung Kaffeetasse. Als Annabelle entzückt auflachte, verwandelte er sich kurz wieder in einen nadelspitzen Stachelball, um dann aber umtriebig den Tisch zu erkunden.
Dr. Burger war beeindruckt. Das war grandios!
„ Verkaufen Sie das?“
Paul schüttelte den Kopf. „Ich verschenke ab und zu etwas. Aber eigentlich bin ich noch nicht zufrieden mit meiner Arbeit.“
Dr. Burger zog erstaunt die Augenbrauen hoch.
„ Das hier ist nur eine Spielerei. Ich arbeite an ganz anderen Dingen. Aber es hilft mir, einige grundlegende Mechanismen zu erkennen.“
„ Das interessiert mich sehr. Kann ich Ihre Forschungen einmal sehen?“
Paul zögerte, aber Annabelle stach ihm ihren Ellenbogen in die Rippen.
Langsam nickte er.
„ Ich komme mit!“, strahlte Annabelle.
Karl Burger hatte das Gefühl, keine Kontrolle mehr zu haben, aber er konnte nicht ablehnen.
Man verabredete sich für den frühen Abend zu einem Besuch bei Paul. Der hatte noch kurz von seinem Gespräch im Josefinenheim berichtet. Annabelle war ganz aufgeregt über die Tatsache, dass das Kind noch lebte. Dr. Burger und Paul waren nicht so enthusiastisch.
„ Wenn die Berichtiger das Kind haben, dann kommen wir da nicht dran“, meinte Paul. „Friedrich hat mir ein bisschen was über die erzählt. Ich glaube, das sollten wir vergessen.“
„ Das ist doch nicht unsere Entscheidung! Das Kind gehört zu seinem Vater und seiner Oma“, ereiferte sich Annabelle.
„ Es ist verdorben! Wer weiß, ob sie es haben wollen. Viele Familien geben ihre verdorbenen Kinder weg. Ich weiß zwar nicht, wie die Russen dazu stehen, aber im Reich wird das so gemacht. Ich bin mir sicher, im Schwarzwald setzen die so was einfach aus.“
„ Onkel Karl!“, rief Annabelle empört. „Was redest du da?“
„ Es ist wahr“, sagte Paul.
„ Das macht es nicht richtig! Sie sollten wenigstens eine Wahl haben. Bitte Paul.“
Paul nickte. „Ich werde bei ihnen vorbei fahren.“
„ Und ich besuche Johanna. Vielleicht kann die mir helfen, an »Herzblut« heranzukommen.“
Dr. Burger sah verwundert zu, wie die beiden vertraut miteinander sprachen, als würden sie sich schon seit Jahren kennen.
Er
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