Aetherhertz
Farben von hell- über dunkelgrün, hell- bis dunkelblau und auch einige silberne Akzente blitzen hervor. Bei jeder Bewegung rauschten die Stoffe wispernd um ihre Beine, als bewege sie sich durch Wasser. Auf dem Kopf trug sie einen Schmuck, der sich durch ihre Frisur wand – es waren kunstvoll verflochtene Silberdrähte, die mit Perlen bestückt waren.
Johanna machte ein großes Trara um ihr Kostüm. Sie ging als Aschenputtel, in der Ballköniginversion. Sie hatte über Annabelle ausrichten lassen, dass Friedrich sich als Prinz kostümieren sollte. Dem war es rechtschaffen egal, wie er aussah, Hauptsache schneidig, er ließ aber verlauten, dass er dem Wunsch nachkommen würde.
Annabelle besuchte die Frauen in den Krankenhäusern, bei denen der Verdacht bestand, dass sie auch an einer Vergiftung durch die Praline litten. Sie konnte zwar nicht wirklich viel helfen, sprach aber auch mit den Ärzten über ihren Verdacht. Diese reagierten ganz unterschiedlich. Annabelle befürchtete, dass Einige ihre Ratschläge in den Wind schießen würden, weil sie eine Frau war. Andere fanden es zu abwegig, und wieder andere hatten gute Ideen, wie man helfen könnte. Die Frauen waren allesamt teilnahmslos und wollten weder essen noch trinken. Es half aber, sie mit Laudanum zu behandeln. Die Wirkung war paradox: Obwohl Laudanum normalerweise beruhigt, lebten diese Frauen plötzlich auf. Sie wurden wacher, aber leider auch fordernder.
„ Es scheint, als wäre die suchterregende Substanz dem Laudanum ähnlich, sodass sie sich zwar besser fühlen, aber dadurch nur umso stärker den Entzug des eigentlichen Wirkstoffes spüren. Als ob man den Teufel mit dem Beelzebub bekämpft“, beschrieb es einmal ein Arzt.
Andere Ärzte sprachen davon, dass man die Vorfälle doch der Polizei melden sollte. Da das dann aber Sache der Familien wäre, geschah oft nichts. Die Scham und das Unverständnis waren zu groß.
Als es am Samstag dann langsam Nachmittag wurde, war Annabelle doch ganz schön nervös. Sie war zwar sehr zufrieden mit ihrem Kostüm, aber bei dem Gedanken an all die reichen Menschen, wurde ihr ganz schlecht. Johanna hatte ihr klargemacht, dass es sich bei dem Ball um eine Veranstaltung der Crème de la crème der Baden-Badener Gesellschaft handele. Es herrschte zwar Einigkeit darüber, dass die Gastgeberin eigentlich nicht dazugehörte, aber der Ort und die Gästeliste sprachen für sich.
Annabelle war zu solchen Veranstaltungen bisher immer mit ihrem Vater gegangen, und hatte sich keine Gedanken um die anderen Gäste und ihren Stand bei diesen gemacht. Sie ging zum ersten Mal in Begleitung eines anderen Mannes zu so einer Gesellschaft.
Sie versuchte sich immer wieder klar zu machen, dass sie nur dort hinging, um sich eine oder mehrere Pralinen zur Untersuchung zu besorgen. Aber als Nebeneffekt würde sie automatisch ihre Verbindung zu Paul öffentlich machen, wie ihre Freundin immer wieder betonte.
„ Und was ist mit dir und Friedrich?“, hatte sie einmal Johanna genervt gefragt, als sie ihre Kostüme anprobierten.
„ Das ist doch etwas ganz anderes!“
„ Warum?“
„ Nun: Zum Ersten sehe ich Friedrich dort zum ersten Mal. Du bist ja schon eine ganze Weile mit Paul zusammen und Ihr seid dabei nicht gerade diskret. Zum Anderen bin ich keine sehr-bald-Erbin eines Vermögens. Meine Eltern leben hoffentlich noch eine Weile. Einige Leute sehen schon länger sehr kritisch auf deine Lebensumstände.“ Johanna zog energisch an den Schnüren von Annabelles Korsett.
„ Was geht das die Leute an?“
„ Ach Annabelle ... versteh doch: Heute mehr denn je müssen wir darauf achten, dass Menschen, die von Gott gesegnet wurden, sich nicht mit dem gewöhnlichen Volk vermischen.“ Jetzt drückte ihre Freundin ihr sogar ihr Knie in den Rücken, um noch fester schnüren zu können.
„ Wie redest du denn?“, Annabelle keuchte empört. So etwas hatte sie von Johanna nicht erwartet.
„ Ich sage es nur, wie es ist: Es gibt altes Geld und neues Geld. Und wir mit dem alten Geld wissen einfach, wer wir sind. Es hat was mit Vererbung zu tun. Damit müsstest du dich doch besser auskennen als ich.“ Johanna stellte sich vor Annabelle und sah sie kritisch an.
„ Ach, du meinst Inzucht, und Cousinen heiraten Cousins?“
„ Nein! Du willst mich falsch verstehen!“
„ Ich hoffe, dass ich dich falsch verstehe. Johanna, ich ersticke gleich! Du musst das Korsett lockern.”
„ Also mein Vater hat mir das so erklärt: Wir
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