Aetherhertz
anblickten und Münder, die hinter Fächern flüsterten.
Als endlich Johanna und Friedrich kamen, atmete Annabelle auf. Sie begrüßte ihre Freundin erleichtert und machte ihr noch einmal viele Komplimente für ihr Kostüm. Die junge Dame war in Gold und Rosa gekleidet. Ihr Rock bauschte sich ausladend um ihre Hüften, was ihre schlanke Taille noch betonte. Amethystschmuck strahlte mit ihren blauen Augen um die Wette. Johanna strahlte auch mit Friedrich um die Wette, der mit seiner neuen Bekanntschaft sehr zufrieden zu sein schien. Er gab einen stattlichen Prinzen in weiß-blau ab, und manch ein weibliches Augenpaar betrachtete ihn hungrig.
Die Männer machten sich auf, etwas zu trinken zu besorgen.
„ Dein Paul ist ja ganz süß“, sagte Johanna, als die beiden außer Hörweite waren. „Aber ich kann nicht verstehen, wieso du Friedrich gegen ihn eingetauscht hast.“
„ Ach Johanna, das habe ich doch nur deinetwegen getan!“
„ Was?“ Johanna runzelte die Stirn und glättete sie sofort wieder, sonst bekäme man ja Falten.
„ Na, blond zu blond und braun zu braun. Ihr passt viel besser zueinander.“ Annabelle lachte und versteckte ihr Gesicht hinter ihrem Fächer, um sich zu beruhigen.
„ Du bist ja lustig. Egal, hast du die Marstall gesehen? Das Kleid passt vorne und hinten nicht. Und blau ist nicht ihre Farbe, aber sie denkt das, dabei macht es sie so blass. Sie hat wieder den Harald Leberecht dabei – siehst du, wie unglücklich der schaut? Die Marstall lässt ihn nicht mehr los. Der Arme wird sie bald heiraten müssen.“
Johanna kannte sich immer gut aus. Annabelle beobachtete das Pärchen, über das sie sprach. Tatsächlich war das Fräulein Marstall schon über ihre besten Zeiten hinaus. Leider hatte Mutter Natur es zwar gut mit ihr gemeint, nur an den falschen Stellen. Sie hatte eine prominente Nase, dafür kein Kinn. Das Kleid war ärmellos, und man sah ihre dicken Oberarme, ihr Busen versuchte sich verzweifelt aus dem Korsett zu befreien. Ihr Begleiter dagegen war eine dürre gebeugte Bohnenstange, ein Fragezeichen, der den Bauchansatz vor sich her schob, der Albtraum aller Schneider. Sie gingen als Rotkäppchen und Wolf, und Annabelle dachte bei sich, dass da wohl eher das Rotkäppchen dem Wolf gefährlich würde als umgekehrt.
„ Na, er hat doch die Wahl“, versuchte sie ihn zu verteidigen.
„ Ha, Annabelle. Du bist aber naiv. Die Marstall wird bald schwanger sein, und dann kann er nicht anders.“
„ Und du wirfst mir vor, mit meinem Ruf zu sorglos umzugehen.“
„ Du hast ja auch noch einen zu verlieren!“
Die Männer kamen zurück und Johanna traute sich wohl vor Friedrich nicht mehr, so vertraulich zu lästern. Jedenfalls sprachen sie über viele belanglose Dinge, während der Saal sich füllte. Als das Orchester langsam lauter spielte, wagten sich die ersten Tänzer aufs Parkett. Annabelle spürte die Wirkung des Champagners in sich aufsteigen. Die Atmosphäre verdichtete sich und so langsam wurde die Illusion eines Waldes für sie immer deutlicher.
Johanna und Friedrich tanzten vom ersten Tanz an. Annabelle hatte zunächst ein paar Mal verneint, als sie aufgefordert wurde, aber schließlich ließ sie sich von Paul zu einem langsamen Walzer überreden.
„ Ich bin nicht so gut im Tanzen“, zischte Annabelle.
„ Ich führe dich schon”, sagte Paul zuversichtlich. Als Corpsstudent musste man tanzen können.
Und das tat er. Und wie schon viele Frauen zuvor, und viele Frauen nach ihr, entdeckte Annabelle den Zauber des Tanzens: der rituellen Hingabe, des Zelebrierens der Bewegung, dem Spiel von Nähe und Ferne, des Zueinander-Drängens und Fest-Haltens. Es war ein Gehenlassen, ein Reagieren, ein Vertrauen und eine Lust an der Eroberung des Raumes, und trotzdem nur ein Drehen um sich selbst und den Partner, und damit um alles, was einen in diesem Moment interessierte. Als die Musik endete und Paul sie atemlos an den Platz führte, fühlte sie sich ihm mehr denn je verbunden und wünschte sich, das könnte immer so sein.
Sie setzte sich, nahm ihr Glas und verschluckte sich fast. Etwas flatterte: ihr Schmetterling. Auch Pauls Schmetterlinge hatten sich während des Tanzes gelöst und flatterten nun zu ihm zurück. Annabelle hörte die erstaunten Ausrufe einiger Gäste, als diese bemerkten, dass die vermeintlichen Tiere keine lebendigen Dekorationen waren, sondern Teil ihrer Kostüme. Sie sah ihn stolz an und er lächelte verschmitzt.
Nachdem sie noch ein paar Mal
Weitere Kostenlose Bücher