Affaere in Washington
Rückstand.«
»Und Caine?«
»Etwa dreihundert.«
Es gelang Serena nicht, ein missbilligendes Gesicht zu machen. »Vielleicht sollte ich verhindern, dass mein Angetrauter laufend die Familie ausnimmt. Hast du auch verloren?«
Alan zuckte nachlässig mit den Schultern und nippte an seinem Kaffee. »Es geht. Nicht mehr als kleine zweihundert.« Er begegnete Shelbys Blick und fügte hinzu: »Ich spiele mit Justin mehr aus diplomatischen Gründen.« Shelby musterte ihn, enthielt sich aber eines Kommentars. »Zum Teufel«, platzte Alan heraus, »eines Tages werde ich ihn doch schlagen.«
Inzwischen waren die Waffeln gebracht worden, und Shelby langte kräftig zu.
»Willst du das alles aufessen?«, fragte er ungläubig.
»Natürlich.« Sie goss genussvoll Sirup über ihren Teller. »Handelt es sich bei dieser Sitzung um einen reinen Männerclub, oder könnte ich mich beteiligen?«
Alan beobachtete fasziniert, mit welchem Appetit Shelby die Waffeln verschlang. »In Gelddingen machen wir keinen Unterschied zwischen den Geschlechtern.« Er drehte eine weiche, rötlich schimmernde Locke um seinen Finger. »Bist du darauf vorbereitet zu verlieren?«
Shelby lächelte. »Ich lasse es nicht zu.«
»Ich werde euch eine Weile zuschauen«, sagte Serena. »Wo sind Mom und Diana?«
»Im Garten«, antwortete Alan. »Diana wollte ein paar Tipps für ihr neues Haus.«
Serena nickte. »Das dürfte ein oder zwei ungestörte Stunden für uns bedeuten«, sagte sie und erhob sich.
»Ist es deiner Mutter nicht recht, wenn gespielt wird?«, fragte Shelby.
»Es sind die Zigarren meines Vaters«, erklärte Serena, während sie gemeinsam das Frühstückszimmer verließen. »Er versteckt sie vor ihr. Oder sie lässt ihn in dem Glauben, dass sie es nicht merkt.«
Shelby erinnerte sich an Anna MacGregors ruhigen, beobachtenden Blick. Letzteres ist wahrscheinlicher, dachte sie. Alan blieb, wie seiner Mutter, nur wenig verborgen.
Schon im Treppenhaus des Turmes hörten sie Daniel MacGregors polternde Stimme: »Verdammt, Justin Blade – du hast Glück wie ein Teufel!«
»Schlechte Verlierer sind die MacGregors«, seufzte Shelby mit einem Seitenblick auf Alan.
»Wir sollten erst einmal sehen, wie sich eine Campbell hält«, verkündete Alan von der Tür her. »Hier kommt neues Blut.«
Die Luft war voller Rauch. Schwerer, würziger Geruch von teurem Tabak lag als graue Wolke über Daniels riesigem alten Schreibtisch, der zur Spielfläche umfunktioniert worden war. Ringsum standen Stühle und Sessel. Die drei Männer schauten erstaunt auf die Neuankömmlinge.
»Ich gewinne nur ungern gegen meine Frau«, sagte Justin lachend und steckte sich seine Zigarre an.
»Dazu wirst du gar keine Gelegenheit bekommen.« Serena setzte sich auf die Armlehne zu ihm. »Shelby will sich mit euch messen.«
»Eine Campbell!« Der Senior rieb sich die Hände. »Gut denn, wir werden sehen, woher der Wind weht. Nimm Platz, Mädchen. Der Einsatz beträgt drei Dollar, zehn ist das Limit. Buben oder höher können eröffnen.«
»Wenn Sie hoffen, Ihren Verlust durch mich wieder auszugleichen, Daniel MacGregor«, sagte Shelby milde und setzte sich an den Tisch, »dann sind Sie im Irrtum.«
»Du gibst, Caine«, drängte der Senior. »Mach schon.«
Nach den ersten zehn Minuten bereits hatte Shelby erkannt, dass Justin Blade der beste Pokerspieler war, dem sie jemals gegenübergesessen hatte. Und ganz ohne Erfahrung war sie nicht, denn sie kannte eine Reihe von Spieltischen – elegante und weniger elegante. Alans Vater spielte trotzig, Caine impulsiv und recht geschickt, Justin jedoch spielte gekonnt. Und er gewann.
Nachdem sie gemerkt hatte, dass ihre Form an Justins nicht heranreichte, änderte Shelby ihre Taktik. Alle herkömmlichen Regeln missachtend, verließ sie sich blindlings ganz auf ihr Glück.
Alan hatte sich hinter Shelby gestellt und beobachtete sie. Sein Puls schlug rascher, als Shelby zwei Herzen ablegte und mit den Nachgeschobenen auf eine Straße hoffte. Kopfschüttelnd holte er sich vom Servierwagen noch eine Tasse Kaffee.
Shelby neben seinem Vater sitzen zu sehen war ein Erlebnis für sich. Ein heller und ein dunklerer Rotschopf neigten sich konzentriert über die jeweiligen Karten, vorsichtig und voller Misstrauen gegen spekulative Blicke des Nachbarn. Wie mühelos war Shelby doch in sein Leben geglitten. Wie ein runder Stein, der auf ruhiger Wasseroberfläche unzählige geheimnisvolle Wellenkräusel zauberte. Sie passte sogar in dieses
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