AFFÄREN, DIE DIE WELT BEWEGTEN
München 1995.
Steven Beller, Franz Joseph – Eine Biographie, Wien 1997.
Robert Seydel, Die Seitensprünge der Habsburger, Wien 2005.
http://www.musikverein.at/monatszeitung/monatszeitungEintrag.asp?monat=3&jahr=2004&idx=430
http://de.wikipedia.org/wiki/Anna_Nahowski
Luise Antoinette und André Giron
Die Kronprinzessin und der Hauslehrer
Hure, Ehebrecherin, Rabenmutter. So oder ähnlich wird man Ende Dezember 1902 am Königshof in Dresden über Luise von Sachsen getuschelt haben. Es sind starke Worte über eine Kronprinzessin. Die in Salzburg geborene Erzherzogin aus der toskanischen Linie der Habsburger hat aber auch ein „starkes Stück“ geliefert: Die fünffache Mutter verlässt ihren prinzlichen Gemahl Friedrich August III. von Sachsen, um in die Arme ihres Geliebten in die Schweiz zu flüchten. Welch eine Schmach für den künftigen König von Sachsen. Sie ist schwanger, ohne zu wissen, wer der Vater ist. Ihre Kinder lässt sie am Dresdner Hof zurück. Der deutsche Adel des noch jungen 20. Jahrhunderts hat seinen ersten Skandal. Empört notiert Baronin Hildegard von Spitzemberg in ihr Tagebuch: „Alle waren sie erfüllt wie wir von dem entsetzlichen Skandale am sächsischen Hofe, der wirklich an Widerlichkeit seinesgleichen sucht! Fünf Kinder, einen Mann, einen Thron zurückzulassen, um mit zweiunddreißig Jahren, in der Hoffnung von dem Hauslehrer eben dieser Kinder, durchzugehen – es ist geradezu entsetzlich! Wenn die fürstlichen Frauen also sich vergessen, so allem Hohn sprechen, was sonst auch im Unglück für anständig, vornehm, christlich galt, dann nehmen sie sich selbst das Recht des Bestehens.“
Die Baronin lag mit ihrem Lamento näher an der Wirklichkeit, als sie dachte. Das beginnende 20. Jahrhundert war eine Zeit stürmischer wirtschaftlicher Entwicklung, technologischen Fortschritts und gesellschaftlicher Brüche. Der alte Adel verharrte in Traditionen und Lebensweisen, die weit ins 18. Jahrhundert zurückreichten. Es war eine bigotte Welt, eine Welt des Scheins, die weder den sozialen Veränderungen noch den neuen Machtverhältnissen entsprach. Das liberale Großbürgertum hatte längst die wirtschaftliche Macht übernommen. Sigmund Freud glaubte, das (sexuell) Unbewusste entdeckt zu haben, für den Schriftsteller Stefan Zweig eine „Sternstunde der Menschheit“. Und inmitten tiefsten Friedens, ungeahnten Wohlstands für eine breite Mittelschicht, wachsender demokratischer Freiheit und sozialer Rechte beharrte eine gesellschaftliche Elite, kraft Geburt und Abstammung, auf überkommene Traditionen.
Da wagt es eine schwangere Frau, mit allen Konventionen ihres Standes zu brechen, materielle Sicherheit und Titel zu riskieren, um ein neues Leben zu beginnen? Welche Mutter lässt fünf Kinder im Alter von einem Jahr aufwärts an einem Ort, den sie selbst zu hassen scheint, zurück? Die Tochter des letzten habsburgischen Großherzogs von Toskana hat sich selbst gut gekannt und ebenso ungeschönt wie selbstbewusst analysiert: „Eigensinnig bin ich, kapriziös, gewöhnt, meinen Kopf durchzusetzen. Mein Wille, meine Launen sind allein bestimmend für mich. In meiner Liebe bin ich wankelmütig, leicht werde ich eines erst heißgeliebten Menschen überdrüssig. Ich gehöre zu den gefährlichen Frauen, die den Mann in sich verliebt machen, wenn das Spiel lockt. An Luxus und Eleganz gewöhnt, bin ich eine Verschwenderin. Wehe dem Mann, der mich bis auf den Grund meiner Seele kennt … Wer mich lieben will, muss sein wie ich, leichtsinnig und gewissenlos …“, warnt Luise ihren – späteren – zweiten Ehemann Enrico Toselli brieflich. Vergeblich, wie man sehen wird.
Luise Antoinette Maria Theresia Josepha Johanna Leopoldine Caroline Ferdinande Alice Ernestine, Kaiserliche Prinzessin und Erzherzogin von Österreich, Königliche Prinzessin von Ungarn und Böhmen, Prinzessin von Toskana wurde am 2. September 1870 in Salzburg geboren. Schon früh begibt sich ihre Mutter auf die Jagd nach einer guten Partie für das hübsche Töchterlein: „Mamas Heiratspläne begannen bei der Kaiserin von Brasilien … 1891 sollte ich Prinz Ferdinand von Bulgarien wiedersehen. Ich wollte an einer Stelle stehen, wo ich Einfluss hatte. Maria Theresia war meine große Heldin. Am 19. Juni 1892 kam dann mein zukünftiger Gatte, Prinz Friedrich August, nach Lindau an den Bodensee. Er war nur einundzwanzig Jahre und sah sehr hübsch und schmuck in seiner hellblauen mit Gold verzierten Husarenuniform aus“,
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