AFFÄREN, DIE DIE WELT BEWEGTEN
schreibt Luise in ihrer Autobiografie.
Sie liebt den Prinzen mit dem Enthusiasmus einer 21-Jährigen. „Sein offener Ausdruck war durch die besten und freundlichsten Augen der Welt doppelt anziehend. Ich glaube nicht, dass es einen Mann mit edlerem und besserem Herzen wie ihn auf der Welt gibt. Seine Ritterlichkeit war ohne Tadel, und er betete mich an“, heißt es in Luises Lebenserinnerungen. Die beiden heiraten am 21. November 1891 in Wien. Kein Bund fürs Leben, wie sich elf Jahre später herausstellen wird. Wie so oft, dürfte die „Schwiegerfamilie“ daran nicht unbeteiligt gewesen sein. Die Stimmung am sächsischen Hof wird einem glücklichen Eheleben nicht gerade zuträglich gewesen sein: „Es ist ein Wirrwarr kleinlicher Intrigen und Tyrannei, da jeder versucht, über jemand zu herrschen“, urteilt die Entflohene später. Dem Schwiegervater ist Luise nicht besonders zugetan. Sie beschreibt ihn als großen, schon etwas gebeugten Mann, an dem vor allem die „kalten, kleinen, blauen Augen“ auffielen, „die misstrauisch unter buschigen Brauen hervorschauten … Intolerant wie bigott, geistig beschränkt und engherzig, war mein Schwiegervater ein Fanatiker im reinsten Sinne des Wortes, da er wie von einer Art religiösem Wahnsinn erfasst gewesen sein muss“.
Auch wenn man jede Menge schwiegertöchterlicher Subjektivität in Abzug bringt, bleibt das Bild eines Mannes, der wohl kein besonders großer Sympathieträger war. „Im Vertrauen gesagt, Großvater war ein Ekel“, soll einer der Enkel König Georgs gesagt haben. Jedenfalls verbiestert der strenge Georg der jungen Kronprinzessin das Leben. Sie wird systematisch überwacht und bespitzelt. Sogar im Beichtstuhl stellt ihr der Priester auf allerhöchsten Befehl intime Fragen. Für harmlose Vergnügungen wie Baden im züchtigen Kostüm an der „Riviera“ bei Loschwitz an der Elbe bekam sie Stubenarrest, weil die ganze Gegend zusammengelaufen war. Fuhr sie mit dem Fahrrad, spazierte über den Dresdner Altmarkt oder fuhr mit der Straßenbahn, wurde die Prinzessin und künftige Königin Sachsens mit Freiheitsentzug bestraft. Vor ihrer Zimmertüre im Taschenbergpalais ließ der Schwiegervater eine bewaffnete Wache aufmarschieren. In Loschwitz, beim Maler Hans Unger, war sie mehrfach zu Besuch und ließ sich ein Stück einer sächsischen Mehlspeise namens „Eierschecke“ servieren. Auch für diese vergleichsweise harmlose Nascherei wurde sie zu Hausarrest verdonnert. Luise war von ihrem Vater in Salzburg zur Freiheit und Ungezwungenheit erzogen worden. Sie sprach vier Sprachen fließend, sang, spielte Klavier und war ein aufgewecktes junges Mädchen. Die „Innsbrucker Nachrichten“ wussten zu berichten: „Die Erzherzogin war auch schon als junges Mädchen zahlreichen Sportarten mit großer Freude zugetan. Sie vermochte allen Beschwerden der Hochjagden in den Bergen Salzburgs und des Salzkammerguts zu trotzen. Sie ist eine treffliche Reiterin und ihre Fertigkeit im Schlittschuhlaufen wurde oft genug auf dem Salzburger Eislaufplatz bewundert. Sie wurde von der Salzburger Bevölkerung aufrichtig geliebt.“ Die zeitgenössischen Blätter berichten auch von einer ausgeprägten sozialen Ader, einem ungezwungenen Umgang mit dem „einfachen Volk“.
Luise wollte sich nicht im sächsischen Königspalast und in überkommenen Traditionen einsperren lassen. Was nützt der noble Titel „Kronprinzessin“, wenn die persönliche Freiheit eingeschränkt, selbst kleine Vergnügungen des Alltags mit „Stubenarrest“ bestraft werden können? Die Privilegien eines Standes hatten sich ins Gegenteil verkehrt. Jede Arbeiterfrau, jede Dresdner Bürgerin durfte mehr Spaß am Leben haben.
Aus Luises Sicht sind die Anklagepunkte durchaus ehrenvoll: „Originalität und Fantasie sind Sünden am Dresdener Hof und von diesem Standpunkt aus betrachtet, kann ich begreifen, dass ich mich als sehr störendes Element erwiesen haben muss, da ich nicht ihre Erwartungen erfüllte“, wird sie später in ihren Memoiren vermerken.
Der Prinzgemahl verkürzt sich unterdessen die Wartezeit auf das Königsamt mit Kartenspielen, Reiten und üppigen Saufgelagen im Offizierskasino. Und er zeugt mit seiner Angetrauten fleißig Prinzen und Prinzessinnen. Aber auch über ihre Kinder kann Luise nicht bestimmen. Gebären ja, erziehen nein. Dazu gibt es Personal. Sogar in eine höchstpersönliche Frage wie das Stillen der Babys mischt sich der all- und übermächtige Schwiegervater
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