Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
AFFÄREN, DIE DIE WELT BEWEGTEN

AFFÄREN, DIE DIE WELT BEWEGTEN

Titel: AFFÄREN, DIE DIE WELT BEWEGTEN Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerhard Jelinek
Vom Netzwerk:
erster Weltkrieg bewertet: Engländer, Portugiesen und Preußen gegen Franzosen, Österreicher, Schweden und Spanier. Kaum eine europäische Macht war nicht auf irgendeiner Seite in irgendeine Allianz verstrickt. Die Kriegsschauplätze erstreckten sich von den amerikanischen Kolonien über ganz Europa bis nach Afrika. Rund 900.000 bis 1,200.000 Soldaten starben im Siebenjährigen Krieg, der keine wesentliche Machtverschiebung in Europa brachte, aber alle Mächte an den Rand des Staatsbankrotts.
    Ein Leben in ruhigen Bahnen als pragmatisierter Staatsbeamter schien dem Wanderer durch die europäischen Welten doch zu langweilig. Casanova lehnte ab, verwaltete sein Vermögen schlecht, wurde wegen angeblicher Fälschungen von Wechseln beschuldigt, verhaftet und konnte sich nur mit knapper Not einer weiteren Kerkerstrafe entziehen. Seine Verlobte Manon Balletti opferte für den untreuen Verlobten ihre goldenen Ohrringe, die ihr Bruder als Kaution für Casanova einsetzte. Der Goldschmuck war ein Geschenk Casanovas, den dieser aus Holland mitgebracht hatte. Immerhin konnte er die Ohrgehänge wieder auslösen. Er bezahlte dafür die gewaltige Summe von 6000 Gulden.
    Wieder einmal war Casanova auf der Flucht, seine Verlobte zurücklassend, neue Geliebte suchend, getreu seinem Spruch: „Die Ehe ist das Grab der Liebe.“
    Für Manon war die Kaution ihr letzter Liebesdienst, sie machte mit dem notorischen Hochstapler Schluss, schickte ihm alle seine Briefe zurück und heiratete einen 35 Jahre älteren Architekten. Die junge Frau bewies also durchaus Realitätssinn. Drei Jahre Abenteuer mit dem größten Liebhaber aller Zeiten, das schien ihr genug. In seinen Memoiren ärgert sich Casanova über die Abfuhr: „Ein großes Paket lief ein, begleitet von einem Brief meiner Manon dieses Inhalts: ‚Seien Sie vernünftig und nehmen Sie mit kaltem Blute die Nachricht hin, welche ich Ihnen erteile. Das beigehende Paket enthält Ihre sämtlichen Briefe und Ihr Bild. Schicken Sie mir das meinige zurück und wenn Sie meine Briefe aufbewahrt haben, so verbrennen Sie solche … Denken Sie nicht weiter an mich, auch ich will mein Mögliches tun, Sie zu vergessen.‘ Dieser Brief versetzte mich, nach einer Dumpfheit von zwei Stunden, in eine tiefe Bestürzung. Mein Gesicht, sonst lachend, schien mir wütend und erschreckend geworden. Ich setzte mich hin, der Treulosen zu schreiben, und zerriss einen jeden Brief.“
    Immerhin zeigte Casanova doch späte Reue. In seinen Memoiren bedauert er, dass er durch sein Verhalten das Leben der jungen Frau verkürzt habe. Manon war rasch Witwe geworden und starb an einer seltenen Lungenkrankheit, kaum 36 Jahre alt.
    *
    Anna Eunike Röhrig, Mätressen und Favoriten, Göttingen 2010.
    Giacomo Casanova/Wilhelm von Schütz, Aus den Memoiren des Venetianers Jacob Casanova, Bd. 5, Leipzig 1824.
    Manon Balletti/Elisa von der Recke, A Giacomo Casanova. Lettere d’amore, Milano 1997.
     
    http://www.nationalgallery.org.uk/paintings/jean-marc-nattier-manon-balletti

Friedrich der Große und Hans Hermann von Katte
Der Kronprinz und sein Offizier
    6. November 1730, Bastion Brandenburg auf der Festung Küstrin. Es ist ein kühler, herbstlicher Tag, über der Oder liegt Morgennebel, doch der junge Mann spürt die Kälte nicht. Kronprinz Friedrich steht am geöffneten Fenster des Schlosses und starrt unverwandt in den Novembermorgen. Jeden Moment kann es so weit sein. Heute um sieben Uhr früh soll das Todesurteil an Leutnant Hans Hermann von Katte vollstreckt werden. Der Freund soll vor seinen Augen sterben, König Friedrich Wilhelm I. hat es ausdrücklich befohlen. Der König ist sein Vater. Der Mann, vor dessen Strenge und Brutalität er fliehen wollte. Katte, der Freund, der ihm bei seiner Flucht folgen sollte, wird den Preis dafür bezahlen, den höchsten Preis: sein Leben. Wird er um Gnade bitten? Weinen? Flehen? Wenn es nur schon überstanden wäre. Der 18-Jährige ist kalkweiß im Gesicht; kalter Schweiß klebt an Stirn und Händen. Die Lider sind rotgerändert. Ob der Kronprinz geweint hat? Er, dem man schon als Kind das Weinen mit Prügeln abgewöhnen wollte? Die Offiziere wagen es nicht, Friedrich in die Augen zu blicken. Sie sind abkommandiert, um die Qualen zu bezeugen, die der Vater dem Sohn zufügt. Trauer, Mitleid, Wut – all das spiegelt sich im Gesicht des Kronprinzen wider. Und Schuld. Er, der Prinz, wollte fliehen; nicht länger geschlagen und erniedrigt werden. Doch der andere muss dafür sterben.

Weitere Kostenlose Bücher