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AFFÄREN, DIE DIE WELT BEWEGTEN

AFFÄREN, DIE DIE WELT BEWEGTEN

Titel: AFFÄREN, DIE DIE WELT BEWEGTEN Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerhard Jelinek
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Liebesglück in den Armen eines wahrlich erfahrenen Mannes.
    Manon schrieb dem meist Abwesenden gezählte 42 Liebesbriefe, die Casanova in seinen Memoiren zitiert. Am Beginn ihrer Affäre formuliert die 17-Jährige noch Zweifel: „Ich will getreulich auf Ihren letzten Brief antworten; anfangs sprechen Sie sehr übertrieben von Ihrer Liebe zu mir: ich halte sie für aufrichtig, sie schmeichelt mir, und ich wünsche mir nur, dass sie mir immer erhalten bleibt – wird sie das? Ich weiß genau, dass Sie sich über meinen Zweifel empören werden, aber schließlich, mein lieber Freund, hängt es nicht allein von Ihnen ab, ob Sie aufhören, mich zu lieben oder mich immer liebbehalten? Ach, ich habe gezittert, als mir die Zuneigung zu Ihnen bewusst wurde, und Schrecken befiel mich. Möge diese zärtliche Freundschaft, die wir füreinander empfinden, gedeihen, sie kann unser Glück oder unser Unglück sein, welche harte Alternative. Ist es so schwer, sich zu lieben? Gute Nacht, gute Nacht, mein teurer Freund, behalten Sie mich immer recht lieb. Wenn Sie mir einen Gefallen tun wollen, so verbrennen Sie unsere Briefe! Im Traum schon sage ich Ihnen, dass ich Sie liebe!“
    Casanova ignorierte diese Bitte. Er sammelte die Briefe wie Trophäen seines Erfolgs. Der Venezianer war in diesen Pariser Wintertagen noch etwas außer Atem. Die monatelange Haft unter den Bleidächern des Dogenpalasts, seine abenteuerliche Flucht hatte ihn etwas mitgenommen. Casanova beschloss, sesshaft zu werden, nicht ohne Kalkül. Der Spieler schlüpfte in eine neue Rolle, nahm wie ein Chamäleon die Farben seiner Umgebung an und übte strikte Selbstkontrolle. Sein Freund de Bernis sollte zum Patron werden. Da der französische Staat dringend Geld für den Krieg brauchte, betätigte sich Casanova als genialer Verkäufer der neu gegründeten Staatlichen Lotterie. Mit dem Glück spielte der Venezianer ja gern. Diesmal war er auf der sicheren Gewinnerseite, er kassierte Provisionen für das staatliche Glücksspielmonopol. Nebenbei betrog er die Pariser Gesellschaft mit okkulten Spielen und behauptete, durch seine Kenntnis in der Alchemie den „Stein des Philosophen“ (Lapis philosophorum) schaffen zu können. Casanova: „Wir rächen die Intelligenz, wenn wir einen Narren betrügen.“ Angesichts solcher Täuschungen, begangen in und an höchsten Gesellschaftskreisen, schien ihm ein Hauch von Seriosität angemessen.
    Er verlobte sich mit Manon, deren Frische und Liebreiz er durchaus zu schätzen gelernt hatte, und versprach, alsbald nicht nur die fleischlichen Genüsse der Ehe zu genießen, sondern die Affäre auch zu legalisieren. Immerhin zog der Lebemann unter Aufsicht seiner künftigen Schwiegereltern in die Rue du Petit Lion, in der Nähe des heutigen Forum des Halles, ein. Casanova ließ sich mit der geplanten Eheschließung Zeit. Seine Profession hatte etwas Unstetes. Casanova begab sich häufig auf Reisen, vorzugsweise in geheimer Mission. Denn der Lebemann verdingte sich als Geheimagent. Sein Förderer de Bernis sandte Casanova nach Dünkirchen auf eine Spionage-Mission. Dabei lieferte der Venezianer nützliche Informationen und wurde großzügig entlohnt. Von seinen Arbeitgebern hielt er wenig: „Alle französischen Minister sind gleich. Sie verschwenden Geld, das aus den Taschen anderer Leute kommt, um sich zu bereichern, und sie agieren absolut: Die niedergetrampelten Leute zählen gar nichts, die Unfähigkeit des Staates und die Konfusion der Finanzen sind das Ergebnis. Eine Revolution ist unvermeidlich.“ Sie sollte drei Jahrzehnte später in Paris beginnen.
    „Ist es so mühsam, zu lieben? Mein lieber Freund, behalten Sie mich immer sehr lieb.“ Keinen Geringeren als Giacomo Casanova erreichten diese Zeilen, und von dem wissen wir ja, dass er mit gebrochenen Herzen und Liebesschwüren ein guter Jahrmarktshändler war.
    Zu Beginn des Siebenjährigen Krieges (1756–1763) wurde Casanova – ausgerechnet Casanova – in das damalige Finanzzentrum Amsterdam geschickt, um dort Anleihen zu verkaufen. Der italienische Lebemann im Dienste der Franzosen erwies sich als talentierter Vertreter der Hochfinanz. Frankreich musste für die Kriegsanleihen nur relativ bescheidene acht Prozent Zinsen zahlen. Die Provisionen, die Casanova dabei einstrich, machten ihn zum reichen Mann und brachten ihm das Angebot, französischer Staatsbürger zu werden, inklusive Titel und Pensionszusage.
    Der Siebenjährige Krieg wird von Historikern heute als wirklicher

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