AFFÄREN, DIE DIE WELT BEWEGTEN
der russischen Armee, Großadmiral des Schwarzen und des Kaspischen Meeres und, und, und. Potemkin galt als der mächtigste Mann des russischen Zarenreichs. Er hatte es gemeinsam mit seiner geliebten Zarin als europäische Macht etabliert. Als junger Offizier wird er als „stattliche slawische Erscheinung mit dichtem Haarschopf“ beschrieben. Simon Sebag Montefiore, der britische Biograf des Fürsten, bewundert sein „griechisches Profil“, zitiert seinen Spitznamen „Alkibiades“. Alles in allem: Herr Potemkin war ein stattlicher Mann, tatkräftig, intelligent, brutal, und er konnte einer Frau in reifen Jahren Momente der Ekstase verschaffen. Keine schlechten Grundlagen für eine Karriere. Und jetzt liegt dieser mächtige Mann auf einem Feldweg in der Steppe, schwitzt, stöhnt, kann sich kaum noch bewegen. Es sind seine letzten Stunden. Fürst Potemkin wollte nicht mehr weiterreisen, nur raus aus der schwankenden Kutsche, weg mit den drei Ärzten, die ihn mit ihren Quacksalbereien mehr quälen als helfen. Er ahnt, die letzte Stunde hat geschlagen. Erinnerungen rasen durch seinen fiebernden Kopf. Eine Briefzeile taucht auf: „Ich habe meinem ganzen Körper bis zum kleinsten Härchen den feierlichen Befehl erteilt, Dir auch nicht durch das kleinste Zeichen zu verstehen zu geben, dass er Dich liebt … Oh, Herr Potemkin, was für ein Wunder hast Du vollbracht, indem Du jemandem den Kopf so sehr verdrehtest, einen Kopf, der bisher in der Welt als einer der besten Europas berühmt war. Welch eine Schande! Welche Sünde!“
Zarin Katharina II. hat ihm diese Zeilen zukommen lassen. Beweise ihrer Liebe, ihrer Abhängigkeit und ihrer Lust. Im Badehaus des Sankt Petersburger Winterpalais konnten die Herrscherin und ihr Geliebter ungestört die Freuden der Liebe genießen. Ihre Kosenamen verraten einiges über die Intensität der Beziehung. Katharina nennt Potemkin „Koloss“, „Tiger“, „Abgott“ oder „Helden“. Die Affäre dieser zwei Alpha-Tiere verläuft turbulent. Obwohl um neun Jahre jünger als seine Geliebte, quält er die Zarin mit seiner Eifersucht. Die Liebe der beiden ist ein steter Kampf um Macht – Macht im Staat, Macht im Bett, Macht über Lust. Katharina fleht ihren Geliebten in einem berühmten Briefzitat an: „Lass uns um Gottes willen eine Möglichkeit finden, nie wieder zu streiten. Unsere Streitereien entzünden sich immer an nebensächlichem Blödsinn. Wir streiten um die Macht, nicht um die Liebe.“ Doch lassen sich Macht und Liebe, Dominanz und Unterwerfung trennen? Grigori trifft den Nerv seiner Geliebten. Er nennt sie „Feuerfrau“, sie vergisst die Welt in seinen Armen. Eine Frau nimmt sich die sexuelle Lust, die ihr Körper braucht, sie handelt, wie männliche Herrscher es seit Jahrtausenden praktiziert haben.
In seinen letzten Minuten wird sich der Fürst auch an dieses Ringen um und in der Liebe erinnern. Der ferne Nachhall wollüstiger Momente macht vielleicht sein Sterben leichter. Die sexuelle Affäre mit der Zarin ist schon seit gut einem Jahrzehnt Geschichte, die Herrscherin wendet sich immer jüngeren, aber immer strammen Offizieren zu. Fürst Potemkin ist klug genug, für seine Zarin den Besten auszuwählen: potent im Bett, aber ungefährlich für seine Macht. Die Liebhaber für die alternde Zarin, deren Figur in die Breite geht, deren sexuelle Gelüste aber nicht abnehmen, werden sorgfältig ausgewählt. Jeder Kandidat wird von Ärzten auf körperliche Gesundheit geprüft, muss seine Manneskraft und seine Erfahrung in Liebesdingen an jungen Damen des Hofes beweisen, dann erst wird er der Zarin zugeführt, von Potemkin persönlich. Der Liebeslohn ist fürstlich, etwa 100.000 Rubel gelten als üblicher Tarif für befriedigende Liebesdienste an der Zarin. Fürst Potemkin kassiert davon eine fette Provision.
Er selbst bleibt den Damen nicht abhold. Die einsamen Nächte lässt er sich reihum von seinen fünf jungen Nichten versüßen. Auch in der Stunde des Todes ist eine Nichte, die stupsnasige Gräfin Alexandra Branicka, bei ihm, wischt ihm den Schweiß von der Stirn und hofft, beim reichen Erbe bedacht zu werden. Potemkins Affären mit der Zarin und einer schamlosen Vielzahl von Aristokratinnen und Mätressen waren an Europas Höfen wohlbekannt. Sie wurden entrüstet kommentiert, mehrten seinen sagenhaften Ruf und Ruhm.
Im Juni 1762 ist die Zeit für Potemkin noch nicht gekommen. Es sind die fünf Brüder Orlow, die den Lauf der Geschichte ändern, einen Zaren
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