AFFÄREN, DIE DIE WELT BEWEGTEN
Laikow wiederholte sich mehrmals. Redl lieferte unsere Geheimnisse den Russen aus und verhinderte, dass wir die russischen Geheimnisse durch Spione erfuhren. So blieb den Österreichern und Deutschen im Jahre 1914 die Existenz von 75 Divisionen, die mehr als die gesamte österreichisch-ungarische Armee ausmachten, unbekannt.“ Von Sternberg geht so weit, den Verrat Redls als (Mit-)Auslöser des Ersten Weltkriegs zu analysieren: „Hätten wir klar gesehen, dann hätten unsere Generäle den Hofwürdenträger nicht zur Kriegserklärung getrieben.“ Der spätere CIA-Chef Allen Dulles analysierte, dass Redls Verrat zu den österreichisch-ungarischen Niederlagen in den ersten Kriegsmonaten beigetragen habe.
Der Fall Redl wurde jedenfalls mehrfach verfilmt, zuletzt 1985 in der Regie von István Szabó mit Klaus Maria Brandauer in der Hauptrolle.
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Egon Erwin Kisch, Der Fall des Generalstabschefs Redl, Stuttgart 1988.
Georg Markus, Der Fall Redl, Wien/München 1984.
Maximilian Ronge, Kriegs- und Industrie-Spionage. Zwölf Jahre Kundschaftsdienst, Zürich 1930.
Stefan Zweig, Die Welt von Gestern. Erinnerungen eines Europäers, Stockholm 1944.
Benito Mussolini und Margherita Sarfatti
Der Faschist und die rote Jungfrau
Mit ihrer öffentlichen Schändung ging Clara Petacci als Geliebte des italienischen Diktators und Faschisten-Führers Benito Mussolini in die Geschichte ein. Kommunistische Partisanen der „52. Garibaldi-Brigade“ hatten am 27. April 1945 den „Duce“ am Comer See auf der Flucht aus Salò in die Schweiz gefangen. Er war als deutscher Offizier verkleidet. Sie brachten ihn und seine 33-jährige Geliebte auf einen Bauernhof, wo das Paar im Schlafzimmer der Familie de Maria seine letzten Stunden verbrachte. Am nächsten Tag wurde der engste Verbündete Adolf Hitlers von Partisanen mit einer Maschinenpistole erschossen. Clara („Claretta“) Petacci wurde vergewaltigt und Stunden nach ihrem Geliebten ebenfalls getötet. Partisanen misshandelten die Körper der beiden und schafften die sterblichen Überreste von Mussolini und seiner Geliebten am nächsten Tag nach Mailand. Dort wurde der „Duce“ mit heruntergezogenen Hosen kopfüber auf Fleischerhaken gehängt und öffentlich ausgestellt. Clara Petacci hatte ein Priester im letzten Moment den Rock um die Beine zusammengebunden. So blieb wenigstens ihre entblößte Scham dem johlenden Mob verborgen.
Macht verführt – auch – Frauen. Clara Petacci war die letzte Geliebte des früheren Wanderarbeiters und späteren Journalisten Mussolini, aber nicht die wichtigste. Und sie ertrug das Doppelleben an der Seite des „Duce“ viele Jahre. Ihre Tagebuchaufzeichnungen aus der Zeit von 1932 bis 1938, die erst vor wenigen Jahren im Mailänder Verlag Rizzoli („Mussolini segreto“) vom Wochenzeitungsjournalisten („Oggi“) Mauro Suttora veröffentlicht wurden, belegen die starke erotische Anziehungskraft zwischen dem römischen Diktator und seinem größten Fan. Es sind Geschichten der Unterwerfung und der Belohnung durch Geld, Gold und ein Luxusleben. Es sind Aufzeichnungen der Erniedrigung, des Wartens und kurzer sexueller Befriedigung.
Offiziell lebt Mussolini mit seiner Frau Rachele – um den Geboten der römisch-katholischen Kirche zu genügen – in aufrechter Ehe. Eine Scheidung war im zwar faschistischen, aber doch sehr katholischen Italien rechtlich gar nicht möglich. Das Paar hatte fünf Kinder.
Die wichtigste Frau an der Seite Benito Mussolinis – jedenfalls bis 1938 – war aber die Venezianerin Margherita Sarfatti. Geboren und aufgewachsen im dunklen, samtenen Luxus des venezianischen Palastes Bembo, direkter Blick auf die Rialto-Brücke inklusive. In demokratischen Zeiten lässt sich das Lebensgefühl der Tochter eines reichen, jüdischen Geschäftsmannes für 200 Euro pro Nacht erahnen: Der gotische Palazzo beherbergt heute im dritten Stock ein kleines Hotel. Während ihr Vater die jüdischen Traditionen bewusst lebte, war Margherita ein Kind der neuen Zeit. Das venezianische Ghetto und das traditionelle Judentum empfand die Tochter aus reichem Haus als historische Belastung. Sie schwärmte von den italienischen Einigungsbestrebungen, himmelte Giuseppe Mazzini, den Vater des sogenannten „Risorgimento“, an und forderte für alle jungen Frauen den gleichen Zugang zu Bildung, Wissenschaft und Kunst.
Ihr Vater, Amadeo Grassini, beschleunigte den Ablösungsprozess weiter. Er bezahlte seiner geliebten Tochter Privatlehrer, nicht
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