AFFÄREN, DIE DIE WELT BEWEGTEN
tristen Familienalltag und der Langeweile im provinziellen Uxbridge. Auf eine Berufsausbildung verzichtet die junge Frau. Sie verlässt sich da ganz auf ihre unbestreitbaren weiblichen Reize. Und präsentiert diese im Murray’s Cabaret Club im Londoner Vergnügungsviertel Soho. Bei erotischen Tanzübungen steht Christine mit nackten Brüsten auf der Bühne. Fräulein Keeler wird es zu einiger Bekanntheit bringen.
Die wichtigste Nebenrolle spielt ein Londoner Modearzt mit besten Kontakten zur britischen Gesellschaft: Dr. Stephen Ward. Der bekennende Kommunist aus bürgerlichem Haus durfte schon vielen hohen Herren ihr verschobenes Rückgrat wieder einrichten, sie von quälenden Schmerzen befreien. Prominente wie Winston Churchill, Paul Getty und Frank Sinatra zählen zu seinen Patienten. Im Nebenerwerb organisiert der künstlerisch begabte Osteopath kleine Partys in verschwiegenen Landhäusern, bei denen es zu eher unziemlichen Handlungen kommt. Stephen Ward ist Spezialist für Gruppensex-Orgien, bei denen auch sehr spezielle sexuelle Wünsche erfüllt werden. Nebenbei porträtiert er die britische Königsfamilie. Eine Tatsache, die den „Royals“ später ein wenig peinlich werden sollte.
Der Böse, jeder gute Film braucht jemanden in dieser Rolle, wird – wie passend – mit einem sowjetischen Diplomaten besetzt: Jewgeni „Eugene“ Iwanow ist stellvertretender Marineattaché seines Landes und natürlich Geheimagent. Er macht aus seiner eigentlichen Rolle kein Geheimnis. Viele seiner oft hochrangigen Gesprächspartner warnt er. Er werde jedes Wort nach Moskau berichten. Ein weltgewandter sowjetischer Diplomat mit dem „Haut Gout“ des Spions ist in vielen Zirkeln gern gesehener Gast. Vielleicht kann man ihn ja benutzen, indem man sich benutzen lässt? Vielleicht auch umgekehrt.
Unsere Affäre spielt vor der Kulisse des Kalten Krieges in den frühen Sechzigerjahren. In Moskau hat der bäuerliche Nikita Chruschtschow nach dem Tod des sowjetischen Massenmörders Stalin die Macht im Kreml übernommen und die schlimmsten Auswüchse des stalinistischen Terrors abgestellt. Moskau ist eine Macht. Mit Juri Gagarin fliegt der erste Mensch in den Weltraum. Ein technischer Erfolg, der zum Triumph im Propagandakrieg wird und aller Welt die Leistungsfähigkeit sowjetischer Raketentechnologie vor Augen führt. Als Chruschtschow sowjetische Schiffe, beladen mit Raketen und mutmaßlich mit Atomsprengköpfen bestückt, über den Atlantik nach Kuba schickt, entscheidet sich der junge amerikanische Präsident John F. Kennedy für die Konfrontation. Kennedy will die „Operation Anadyr“ stoppen. Moskau hat die Stationierung von 24 SS-4- und 16 SS-5-Raketen geplant, die mit ihrer Reichweite eine Bedrohung für weite Teile der Vereinigten Staaten darstellen. Sowjetführer Chruschtschow argumentiert defensiv. Er wolle mit der Stationierung der Raketen nur die knapp 45.000 Soldaten der Roten Armee in Kuba vor einem Angriff der Amerikaner schützen.
Kennedy fühlt sich herausgefordert. Mit Atomraketen im Hinterhof der USA hätte Moskau einen strategischen Trumpf. Der Präsident verhängt eine Blockade über Kuba und dessen kommunistischen Revolutionsführer Fidel Castro. Die sowjetischen Schiffe sollen abgefangen, notfalls mit Gewalt zur Änderung des Kurses gezwungen werden. Die Welt hält den Atem an. Es droht ein militärischer Konflikt zwischen den USA und der Sowjetunion, gar ein finaler Atomkrieg.
Am 28. Oktober 1962 stoppt Nikita Chruschtschow die sowjetischen Schiffe. Die Konfrontation in der Karibik ist abgeblasen. Moskau installiert auf Kuba keine Atomraketen. Die USA werden ihrerseits Jupiter-Raketen, die in der Türkei auf die Sowjetunion gerichtet waren, abbauen. Die Vernunft hat gesiegt. Die Kuba-Krise ist der Höhe- und Wendepunkt des „Kalten Krieges“.
In so einer angespannten Lage braucht ein britischer Kriegsminister offenbar körperliche Entspannung. John Profumo weilt im Sommer – Berlin wird gerade durch den Mauerbau für drei Jahrzehnte zur geteilten Stadt – bei einer Weekend-Party auf dem noblen Anwesen seines guten Bekannten Lord Astor, mit Ehefrau und auch sonst sehr züchtig. Die Gesellschaft ist illuster, neben dem Kriegsminister genießt auch der pakistanische Präsident Muhammad Ayub Khan die Freuden des Landlebens.
Wie es der Zufall so will, betritt Dr. Stephen Ward die Szenerie. Der Modearzt hat Lord Astor gute Dienste geleistet und darf auf dem Landsitz des steinreichen Lords ein Häuschen
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